Die letzte Jungfrau ...
einen so heftigen Schlag, dass der Junge zu Boden ging. Sie stürzte sich zwischen die beiden ungleichen Gegner, und das gab Sam Gelegenheit, aufzuspringen und aus dem Haus zu laufen. Sie sah ihm nach, dann setzte sie sich wieder an den Tisch und aß den Kuchen auf. An dem Tag hatte sie beschlossen, sich niemals die Haare schneiden zu lassen, und daran hatte sie sich gehalten.
“Und du, Anna Sarah Delacorte, nimmst du diesen Mann zu deinem gesetzlich angetrauten Ehemann?”
Annie blinzelte, als ihr klar wurde, dass sie einen großen Teil der Zeremonie verpasst hatte. Sam ließ sich nicht anmerken, ob ihr Zögern ihn beunruhigte.
“Entschuldige”, flüsterte sie, “ich habe mich gerade an meinen sechsten Geburtstag erinnert. Damals hast du versprochen, mich eines Tags zu heiraten.”
“Und ich halte meine Versprechen, stimmt’s?”
“Ja”, sagte sie leise, wandte sich dem Pfarrer zu und wiederholte laut: “Ja.”
“Dann gebt mir jetzt die Ringe.”
“Ich fürchte, wir haben keine”, gestand Sam. “Beim Aufwachen wusste ich noch nichts von einer Trauung.”
Myrtle stand auf und kam, auf den Stock gestützt, zum Altar. “Ich habe einen, den ich dir gern überlasse, Sam. Es wird Zeit, dass er seinen eigentlichen Zweck erfüllt. Sieh ihn als Hochzeitsgeschenk an.”
Annie wollte widersprechen, aber ein Blick von Myrtle ließ sie es sich anders überlegen. “Danke. Ich werde ihn immer in Ehren halten.”
Nun gab Myrtle Sam den Ring. “Sei gut zu Annie, oder du bekommst es mit mir zu tun.”
“Du weißt doch, dass ich sie immer gut behandeln werde.”
Lächelnd streichelte sie seine Wange. “Ja. Du warst schon immer ein guter Junge.”
Dann trat sie beiseite, während Sam Annie den Ring auf den Finger schob. Der Pfarrer sprach einen Segen, und Sam küsste Annie zärtlich, die den Kuss hingebungsvoll erwiderte. Anschließend wurden sie von den Gratulanten umringt, die ihnen aufrichtig alles Gute wünschten. Anscheinend waren nun, da alles seine Richtigkeit hatte, Sams vermeintliche Untaten vergeben und vergessen.
Annie erwartete, dass ihr frisch gebackener Ehemann ein bisschen verärgert sein würde, aber er überraschte sie. Als Rolly ihn damit neckte, dass man ihn nur mit Waffengewalt zum Altar gebracht hätte, schüttelte er den Kopf. “Ihr habt lediglich Annie gezwungen, ihr Versprechen zu halten.”
Da erschien Pansy und zog Annie beiseite. “Alles in Ordnung?”, fragte sie. “Bertie hat hartnäckig behauptet, du würdest Sam heiraten wollen.”
Annie zog die Brauen hoch. “Was hat deinen Mann so sicher gemacht?”
“Er sagte, es wäre offensichtlich.”
“Du kannst Bertie von mir ausrichten, dass er …”
“Völlig recht hatte”, beendete Sam rasch den Satz und legte Annie den Arm um die Schultern. “Das wollten Sie doch sagen, Mrs. Beaumont?”
Sie erschauerte. Die Umstehenden warteten gespannt auf die Antwort. Es waren einige darunter, die Sam nicht viel Wohlwollen entgegenbrachten, und denen hätte es gefallen, wenn sie etwas Abfälliges gesagt hätte.
“Ja, ich wollte Sam eigentlich schon immer heiraten”, erwiderte sie schließlich.
Der Bürgermeister runzelte die Stirn. “Warum hast du es dann nicht schon längst getan, Annie? Warum hast du uns damals gebeten … na, du weißt schon.”
“Weil ich jung und dumm war.” Und weil ihr Vater ein unfehlbares Mittel gefunden hatte, sie davon abzuhalten, mit Sam durchzubrennen. Eines, das noch immer wie ein Damoklesschwert über ihr hing.
“Es war ein Missverständnis”, mischte sich Sam ein. Und dass mir niemand widerspricht, drückte sein Tonfall aus. “Jetzt ist es aus der Welt geschafft, und das ist die Hauptsache.”
“Die Heilige und der Sünder”, sagte der Bürgermeister und lachte herzlich. “Das wird sicher eine interessante Ehe, stimmt’s?”
Bertie drängte sich durch die Umstehenden nach vorn. “Tut mir leid, dass ich die Feierlichkeiten störe, aber ich habe gerade gehört, dass der Hurrikan die Richtung geändert hat und hierherzieht.”
9. KAPITEL
Nachdem sich die Neuigkeit über den nahenden Orkan wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, wünschten die Gäste dem Brautpaar noch rasch alles Gute und verließen die Kirche.
Beunruhigt wandte Annie sich Bertie zu. “Wie viel Zeit bleibt uns noch?”
“Nicht viel. Ihr fangt besser sofort an, das Haus zu sichern.”
Myrtle kam zu ihnen. “Ich gehe jetzt nach Hause, Liebes. Deine Nachhilfeschüler waren so nett, mir ihre Hilfe anzubieten.
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