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Die letzte Jungfrau ...

Die letzte Jungfrau ...

Titel: Die letzte Jungfrau ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Day Leclaire
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nicht konnte sie die Rolle der frischgebackenen Ehefrau genießen. Die Liste der Dinge, die dringend erledigt werden mussten, wurde länger statt kürzer, und Sams Laune verschlechterte sich zusehends.
    Zuerst dachte Annie, er sei erschöpft, denn es war schwere Arbeit, die Fenster auf einer Leiter stehend zu vernageln, vor allem, da es so viele waren. Dann überlegte sie, dass er vielleicht frustriert sei, weil er sich ihr nicht widmen konnte, sondern stattdessen Vorkehrungen gegen den Hurrikan treffen musste. Das hätte selbst die Langmut eines Heiligen auf die Probe gestellt. Sie, Annie, wurde jedenfalls immer ungeduldiger, und Sam verlor allmählich die Beherrschung.
    Er ließ seine schlechte Laune jedoch nicht an Annie aus. Tatsächlich sagte er nur wenig, aber sie bemerkte, dass er die Lippen so fest zusammenpresste, als müsste er ständig aufpassen, dass ihm kein falsches Wort entschlüpfte. Seine dunklen Augen spiegelten ein Gefühl wider, das sie beunruhigte. Er wirkte wie ein gefangenes Tier, das verzweifelt nach einem Ausweg aus dem Käfig suchte.
    Ob die erzwungene Ehe ihm das angetan hat, fragte Annie sich unbehaglich, hielt sich aber klugerweise zurück, Sam dasselbe zu fragen. Womöglich würde er dann seinen Zorn nicht länger unterdrücken und ihn am erstbesten unschuldigen Opfer auslassen. Und das wäre natürlich sie. Daher wartete sie erst einmal ab und widmete sich inzwischen ihren vielfältigen Aufgaben.
    Am Nachmittag hatte der Sturm so weit an Heftigkeit zugelegt, dass es allmählich gefährlich wurde, nach draußen zu gehen. Als letzte Vorsichtsmaßnahme brachte Sam die Motorräder ins Bootshaus, wo sie sicher sein würden, falls der Sturm nicht das Dach wegriss oder eine riesige Flutwelle den Schuppen unter Wasser setzte.
    “Ich glaube, das war’s”, verkündete Sam, als er in die Küche kam. Er sah erschöpft aus und war so schmutzig, als hätte er sich im Schlamm gewälzt.
    “Das Essen steht bereit, sobald du geduscht hast”, sagte Annie.
    “Ich bin nicht hungrig.” Er betrachtete ihr feuchtes Haar. “Du hast offensichtlich schon geduscht.”
    “Ja. Wenn der Strom ausfällt, gibt es doch auch kein warmes Wasser mehr.”
    “Wenn wir den Sturm überstanden haben, repariere ich als Erstes den alten Generator, damit wir beim nächsten Hurrikan wenigstens die Wasserpumpe betreiben können.” Er sah aus, als wollte er noch etwas Bedeutsames sagen, fügte aber schließlich nur hinzu: “Dann gehe ich jetzt nach oben.”
    Kurz darauf kehrte er zurück. Er trug saubere Jeans und ein T-Shirt und hatte das feuchte Haar ausnahmsweise glatt gekämmt. Trotzdem wirkte er ungezähmt und von wilder Energie erfüllt. Vermutlich war sein Adrenalinspiegel noch immer sehr hoch.
    Sie aßen schweigend, während der Regen aufs Dach prasselte und der Sturm ums Haus heulte. Äste schlugen krachend gegeneinander, und das Getöse würde, wie Annie und Sam aus Erfahrung wussten, noch schlimmer werden.
    “Ich sehe noch mal nach den Fenstern und Türen”, sagte Sam unvermittelt.
    “Das kann doch warten, bis du gegessen hast.” Sie reichte ihm noch ein besonders knuspriges Stück Brathähnchen, das er fast gierig verzehrte. “Man sieht, dass du nicht hungrig bist”, neckte sie ihn.
    Seine Augen wirkten fast schwarz, und wieder hatten sie diesen seltsamen Ausdruck. “Du solltest nicht hier sein. Bei mir bist du nicht sicher, Annie.”
    Das überraschte sie, und sie sah ihn zugleich amüsiert und verwirrt an. “Warum nicht? Du bist doch mein Mann.”
    Seine Frustration war deutlich spürbar. “Du verstehst das nicht.”
    “Dann erklär es mir in leicht verständlichen Worten.” Sie legte ihre Hand auf seine. “Gestern Nacht hast du mir gesagt, du würdest mir nicht wehtun. Warum bist du dir heute dessen nicht mehr sicher?”
    Er zog die Hand weg. “Ich bin … nicht ganz ich selbst. Meine Beherrschung ist beim Teufel, und ich kann nicht klar denken.”
    Annie runzelte die Stirn. Sam war gereizt gewesen, seit sie ins Haus gekommen waren, und mit dem Herannahen des Hurrikans war er immer unruhiger geworden. Natürlich, der Sturm war schuld! “Sam, du leidest immer, wenn ein Sturm heranzieht, stimmt’s?”
    “Hat Myrtle dir das verraten?”
    “Nein. Nur Bertie erzählte einmal, dass Pansy vor einem Hurrikan immer ganz kribbelig wird, und da sagte Myrtle, das würde am Sturm liegen.”
    “Kribbelig”, wiederholte Sam. “Ja, das beschreibt den Zustand sehr gut. Es ist wie ein Jucken, das man

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