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Die letzte Jungfrau ...

Die letzte Jungfrau ...

Titel: Die letzte Jungfrau ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Day Leclaire
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ihr standen, setzte sie hastig ihren Namenszug in die dafür vorgesehene Zeile. Der Bürgermeister gab das Formular an den Standesbeamten weiter, der es stempelte und die Richtigkeit der Unterschrift bestätigte. Dann verließen die Männer den kleinen Raum, und Annie konnte in Ruhe darüber nachdenken, was sie alles falsch gemacht hatte.
    Ihr einziger Fehler war, wie sie schließlich fand, ein Versäumnis gewesen, nämlich nicht das getan zu haben, was man ihr jetzt vorwarf. Eine Nacht sinnlicher Freuden hätte wahrscheinlich eine gewisse Entschädigung für die Strafe dargestellt, die ihr nun ohnehin drohte.
    Kurz darauf erschien Pansy, das Haar vom Wind zerzaust. “Es ist ganz schön stürmisch draußen. Ob der Hurrikan doch herzieht?” Sie lächelte mitfühlend. “Es wird Zeit für dich, Schwesterherz.”
    Annie verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich heirate nicht.”
    “Oh doch. Bertie hat es mir erzählt.” Pansy hielt in einer Hand eine Schachtel, in der anderen einen kleinen Blumenstrauß mit einer goldgelben Schleife. “In der Schachtel ist mein Hochzeitsschleier. Myrtle schickt dir den Brautstrauß. Du sollst doch hübsch aussehen.”
    “Das ging ja schnell.”
    “Na ja, wir dachten uns, Sam würde dich früher oder später kompromittieren, deshalb hatten wir schon alles vorbereitet.”
    Annie sah ihre Schwester fassungslos an. “Du hast das erwartet?”
    “Natürlich! Alle haben Wetten auf den genauen Tag und die Stunde abgeschlossen, wann Sam dich zum Traualtar führt, einen Gewehrlauf im Rücken. Hör mal, ich wäre dir sehr verbunden, wenn du die Zeremonie noch eine halbe Stunde hinauszögern würdest. Der ‘Gluckenclub’ hat nämlich auf heute um halb zehn gewettet, aber ich habe zehn Dollar auf zehn Uhr gesetzt.”
    “Das glaube ich einfach nicht!”
    “Ich scherze niemals, wenn es um Geld geht.” Pansy nahm Schleier und Kranz aus der Schachtel und befestigte beides auf Annies Kopf. Dann runzelte sie die Stirn. “Es würde wahrscheinlich besser aussehen, wenn du dir vorher das Haar gründlich bürstest. Leider habe ich vergessen, dir ein sauberes Kleid mitzubringen. Ich weiß gar nicht, wo mir heute der Kopf steht.”
    “Ich will kein sauberes Kleid, Pansy, ich möchte nach Hause.”
    “Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du es mit Sam im Bootshaus getrieben hast.”
    Annie musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszuschreien. “Wir haben nichts miteinander getrieben, wir haben nur darüber geredet.”
    “Reine Zeitverschwendung, wenn du mich fragst.” Pansy lächelte breit. “Und ich habe Sam immer für einen Mann der Tat gehalten.”
    “Er wird diesem Spuk ein Ende bereiten. Schließlich will er mich nicht heiraten, er wollte sich nur an mir rächen.”
    “Das musst du mit ihm klären, Annie. Allerdings wird er wahrscheinlich nicht lang diskutieren, wenn all die Gewehre auf ihn gerichtet sind.” Nach einer kritischen Musterung nickte Pansy. “Du bist zwar nicht die sauberste Braut, die ich jemals gesehen habe, aber bei Weitem die hübscheste.”
    “Pansy …”
    “Nein, kein Wort mehr! Gib mir einen Kuss, und dann geh zu deinem Bräutigam. Er hat lang genug auf diesen Augenblick gewartet.”
    “Du klingst genau wie Myrtle”, bemerkte Annie.
    “Danke für das schöne Kompliment.” Pansy umarmte sie herzlich. “Ich gehe vor und sage allen Bescheid, dass du gleich in die Kirche kommst.”
    “Allen?”
    “Ja, sicher. Die Kirche ist berstend voll. Niemand möchte deine Hochzeit versäumen, Sankt Annie.” Pansy verließ die Sakristei.
    Kurz überlegte Annie, ob sie aus dem Fenster klettern und sich so lange verstecken sollte, bis allen langweilig wurde und sie nach Hause gingen. Dann erst fiel ihr auf, dass es in dem kleinen Raum gar kein Fenster gab — und sie konnte ja nicht vor den Blicken aller aus der Kirche flüchten.
    Tief durchatmend stieß Annie die Tür auf, die krachend an die Wand flog. Pansy hatte nicht übertrieben. Auf den Bänken saßen Freunde, Nachbarn und Verwandte Schulter an Schulter, und alle sahen sie, Annie, an — nicht vorwurfsvoll, wie sie fast erwartet hatte, sondern aufmunternd und fröhlich.
    Zögernd ging sie den Gang zwischen den Bänken entlang, blieb aber auf halbem Weg zum Altar plötzlich stehen. Das Ganze war absurd! Nur wegen einer gemeinsam verbrachten Nacht brauchte sie Sam doch nicht gleich zu heiraten! Die meisten in der Stadt hatten schon viel Schlimmeres getan, ohne dafür mit dem Gewehr vor den Altar

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