Die letzte Kolonie
verletzt hatte, würde er verbluten, wenn es herausgezogen wurde.
»Es tut weh«, sagte Yoder. Er blickte zu mir auf und knirschte lächelnd mit den Zähnen. »Tja, es hätte beinahe funktioniert.«
»Es hat funktioniert«, sagte ich. »Es tut mir leid, Hiram. Das wäre nicht passiert, wenn ich nicht gewesen wäre.«
»Es ist nicht Ihre Schuld«, sagte Hiram. »Ich habe gesehen, wie Sie aus dem Wald kamen und zu Boden gingen. Habe verstanden, dass Sie mir eine Chance geben wollten. Sie haben völlig richtig gehandelt.« Er streckte eine Hand nach der Leiche eines Werwolfs aus und berührte sie am Bein. »Es wäre mir lieber gewesen, wenn Sie es nicht hätten erschießen müssen«, sagte er.
»Es tut mir leid«, wiederholte ich.
Hiram hatte dazu nichts mehr zu sagen.
»Hiram Yoder. Paulo Gutierrez. Juan Escobedo. Marco Flores. Deiter Gruber. Galen DeLeon«, sagte Manfred Trujillo. »Sechs Tote.«
»Ja«, konnte ich nur sagen. Ich saß am Tisch in unserer Küche. Zoë war bei den Trujillos und verbrachte die Nacht mit Gretchen. Hickory und Dickory waren bei ihr. Jane lag in der Klinik. Neben der Speerwunde hatte sie sich bei der Jagd nach DeLeon ziemlich schwere Kratzer zugezogen. Babar hatte seinen Kopf in meinen Schoß gelegt. Ich streichelte ihn geistesabwesend.
»Und nur eine Leiche«, sagte Trujillo, worauf ich ihn ansah. »Hundert unserer Leute haben den Wald durchsucht, wo es nach Ihren Angaben geschehen ist. Wir haben Blut gefunden, aber keine einzige Leiche. Diese Wesen haben sie alle mitgenommen.«
»Was ist mit Galen?«, fragte ich. Jane hatte mir gesagt, dass sie Teile von ihm gefunden hatte, wie eine Spur, die man für sie gelegt hatte. Sie hatte die Verfolgung aufgegeben, nachdem er nicht mehr geschrien hatte und sie zu sehr durch ihre eigenen Verletzungen geschwächt war.
»Wir haben ein paar Stücke gefunden«, sagte Trujillo. »Aber nicht genug, um es als Leiche bezeichnen zu können.«
»Großartig«, sagte ich. »Einfach großartig.«
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte Trujillo.
»Mann!«, sagte ich. »Was glauben Sie, wie ich mich fühle? Wir haben heute sechs Männer verloren! Verdammt, wir haben Hiram Yoder verloren! Wir wären alle tot, wenn er nicht gewesen wäre. Er hat diese Kolonie gerettet , er und die Mennoniten. Jetzt ist er tot, und es ist meine Schuld.«
»Es war Paulo, der den Jagdtrupp zusammengestellt hat«, sagte Trujillo. »Er hat sich Ihren Befehlen widersetzt, und seinetwegen
mussten außer ihm fünf weitere Menschen sterben. Und er hat Sie und Jane in große Gefahr gebracht. Wenn wir jemandem die Schuld aufbürden wollen, dann ihm.«
»Ich habe nicht das Bedürfnis, die Schuld auf Paulo zu schieben«, sagte ich.
»Das ist mir klar. Und deswegen sage ich es. Paulo war ein Freund von mir, einer der besten Freunde, die ich hier gewonnen habe. Aber er hat etwas sehr Dummes getan, und er trägt die Schuld am Tod dieser Männer. Er hätte auf Sie hören sollen.«
»Nun ja«, sagte ich. »Ich dachte, wenn ich diese Wesen zum Staatsgeheimnis erkläre, könnte ich so etwas verhindern . Deshalb habe ich es getan.«
»Geheimnisse neigen nun einmal dazu, nach draußen zu sickern. Das müsste Ihnen nur allzu gut bekannt sein.«
»Ich hätte alle Kolonisten darüber informieren sollen.«
»Vielleicht«, sagte Trujillo. »Sie mussten eine Entscheidung treffen, und das haben Sie getan. Auch wenn es nicht die Entscheidung war, die ich von Ihnen erwartet hätte, wie ich gestehen muss. Es sah Ihnen einfach nicht ähnlich. Sie können nicht besonders gut mit Geheimnissen umgehen, falls Sie mir diese Bemerkung gestatten. Und die Leute hier sind es auch nicht gewohnt, damit umzugehen.«
Ich brummte meine Zustimmung und streichelte Babar. Trujillo rutschte eine Weile unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Was werden Sie jetzt machen?«, fragte er schließlich.
»Wenn ich das wüsste! Im Augenblick möchte ich einfach nur mit meiner Faust durch eine Wand schlagen.«
»Davon würde ich abraten«, sagte Trujillo. »Ich weiß, dass Sie meinen Rat aus Prinzip nicht gerne annehmen. Aber in diesem Fall sollten Sie es tun.«
Darüber musste ich lächeln. Ich nickte in Richtung Tür. »Wie ist die Stimmung da draußen?«
»Die Leute haben furchtbare Angst«, sagte Trujillo. »Gestern ist ein Mann gestorben, heute gab es sechs weitere Tote, von denen fünf spurlos verschwunden sind, und jeder macht sich Sorgen, dass er der Nächste sein könnte. Ich vermute, dass in den folgenden Tagen
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