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Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Titel: Die Letzte Liebe Meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Verhulst
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aussprach) musste er dann aber wirklich mal kennenlernen. Fetziger Ska (» fetziger Was ?«) aus den Niederlanden mit Texten, die was bewegen.
    (Den Satz musste er sich für September merken, wenn die Schule wieder losging und die Kreide von den Tafeln staubte. Er würde seinen Freund Roel anstoßen und fragen: »Weißt du, was du mal hören musst? Doe Maar! Ja, Mann! Fetziger Ska mit Texten, die was bewegen.« Zweihundert Franc, wenn die Kinnlade von Roel nicht augenblicklich herunterklappte!)
    Jetzt wusste Jimmy, was in Héloïses Zimmer an den Wänden hing: Poster von Doe Maar, die sie aus Teenagerzeitschriften herausgetrennt hatte, Milchbubis mit Frisuren, für die täglich ein ganzer Pott Gel draufging. Wenn es ihn interessiere, sie habe eine Kassette von ihnen dabei. Vielleicht könnte sie den Busfahrer bitten, sie unterwegs mal zu spielen. Dann könnte Jimmy die Musik gleich mal kennenlernen. Wirklich, das könnte was für ihn sein.
    Sie nahm ihn ernst! Wenn er mit einem älteren Mädchen über ein so gewichtiges Thema wie Popmusik reden durfte, dann hieß das einfach: Er gehörte dazu! So war es: Er zählte!
    Und zu seinem nächsten Geburtstag: ein Riesenpott Gel! Gelbes, von Shine & Style!
    »Wollen wir mal aufhören zu treten?«, fragte Héloïse jetzt. Sie waren das einzige Fahrzeug im weiten Umkreis. Die fröhlichen Ferienrufe anderer erklangen, wie sie immer am schönsten sind: aus der Ferne.
    »Aufhören zu treten und die Augen zumachen?«
    Tolle Idee! Ziellos dahintreiben! Jeder in seinem eigenen Dunkel. Doch nebeneinander. Diesen Moment hätte er in eine Schneekugel einschließen mögen, für später, wenn wieder mal Koffer im Flur standen und man ein weiteres Scheitern eingestehen musste. Dann könnte er seine Schneekugel schütteln und die Flocken betrachten, die um diesen erstarrten Moment herumwirbelten, um den Glauben an das Schöne nicht zu verlieren.
    »Du guckst ja!«, rief sie.
    »Gar nicht wahr!«, erwiderte er, und seine Empörung war überzeugend gespielt.
    »War doch nur Spaß! Wir müssen sowieso zurück. Es ist Zeit.«
    Und so strampelte er (»Rennen für Rennen, Mann gegen Mann, wie ein hungriger Löwe kämpft er sich voran: ein Könner der Ebene, ein Meister des Bergs – nochmals Bravo, Eddy Merckx!«) – strampelte weg von dem Ort, der zur schönen Erinnerung hätte werden müssen.
    Genau elf Uhr und sechs Minuten war es gewesen, als die Atombombe auf Nagasaki fiel, und abends siebzehn vor neun, als die Mondlandefähre Eagle an ihrem Ziel im Meer der Stille aufsetzte; zweiundzwanzig Uhr fünfzig, als Mark David Chapman seinem Idol John Lennon die erste von vier Kugeln durch den Leib schoss. Und genau sechzehn Uhr zwölf war es, auf ihrer Armbanduhr konnte Jimmy es deutlich erkennen, als Héloïse den absolut idiotischen und dennoch historischen Satz aussprach: »Weißt du schon, ob es ein Brüderchen oder ein Schwesterchen wird?«
    Er verstand sie nicht.
    »Na ja, deine Mutter ist doch schwanger?!«
    »Ach ja?«
    Okay, Martine war nicht die Dünnste, aber deswegen gleich eine Schwangere aus ihr zu machen, ging Jimmy doch ein bisschen zu weit. Seine Mutter hätte es zweifellos als Beleidigung empfunden.
    »Also, hör mal, Jimmy, du willst mir doch nicht erzählen, dass du davon noch gar nichts gemerkt hast! Es kommt ja nicht schon morgen, das hab ich auch nicht gesagt. Hochschwanger ist deine Mutter nicht, aber schwanger ist sie auf jeden Fall, volle Sahne! Das sieht man doch einfach, an allem!«
    Volle Sahne! Den Ausdruck musste sie von ihrer Verehrung für ein holländisches Popidol zurückbehalten haben.

Kapitel 30
    N a«, meinte Marie-Louise, die lebenslustige Liebhaberin des Göttertranks Zwetschgenwasser, zu Wannes, »das kannst du aber nicht verstecken, dass du der Vater von Jimmy bist!«
    Die Reisegesellschaft saß auf der Terrasse des Gasthofs Knusperhaus, geschniegelt und gestriegelt, aufgebrezelt zum Abendessen, und genoss gerade einen Aperitif, um Magen und Darm auf die nächste Fettbombe einzustimmen, als die Worte der Mitreisenden bei Wannes fast einen Herzkasper ausgelöst hätten.
    Wenn ein Comiczeichner die Szene hätte festhalten wollen, so hätte er Wannes’ Schädel mit dicken Schweißperlen versehen, mit weit aufgerissenen Pupillen und Augenbrauen in Form eines Accent circonflexe, vielleicht gar mit einem Frage-und einem Ausrufezeichen über dem Kopf. Denn dieses Gespräch wurde immer brenzliger. Er war alles andere als überzeugt von Marie-Louises harmlosen

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