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Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Titel: Die Letzte Liebe Meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Verhulst
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Jahreszeiten .
    »Und wo ich schon mal dabei bin, kann ich die andern drei gleich auch noch zerdeppern!«
    Und so geschah’s. Die Nachbarn waren sowieso nicht zu Hause.
    Erst jetzt, während die Scherben von Der Herbst ihr um die Ohren flogen, war Martine sich endlich ganz sicher, noch nie war das Gefühl so überwältigend gewesen. Das Gefühl, die Überzeugung: »Er liebt mich!«

Kapitel 6
    D er Seniorchef von Van-Boterdael-Reisen hatte Wannes und Martine zu einem ausrangierten Busschuppen geführt, der zu einer Art Museum umgebaut worden war. Jetzt, wo er sich zur Ruhe gesetzt und die Geschäfte seinem Sohn überlassen hatte, nahm er sich gern die Zeit, potenziellen Kunden die stolze Geschichte seines Familienunternehmens zu erklären. Wie aus einfachsten Anfängen alles begonnen hatte, mit einem Pferd und einem Karren. Er präsentierte seine Sammlung Postkutschen, Landauer, Kremser, Kaleschen und Coupés, um schließlich bei seinem Prunkstück zu landen, der blitzblank gewienerten Cannstatt-Daimler von circa achtzehnhundertneunzig.
    »Mit dieser Kutsche haben wir den Bürgermeister von Zwevezele noch zu seiner Maitresse gefahren – das war neunzehnhundertvier! Die Gardinen da haben wir übrigens auf persönlichen Wunsch des Stadtoberen vor die Fenster gespannt. ›Der Kunde ist König‹, das war schon immer unser Prinzip.«
    Er tat, als sei die Anekdote ihm gerade erst eingefallen, in einer nostalgischen Anwandlung, doch in Wirklichkeit erzählte er sie all seinen Opfern.
    »… Verrückt, wie’s manchmal geht: Irgendwann muss eine Leiche zum Friedhof gebracht werden, und einer hat zufällig einen Pferdekarren, Kamiel van Boterdael in diesem Fall, und er denkt: Schau an, offenbar gibt’s für solche Fahrten einen Bedarf, und eh er sichs versieht, ist er Beerdigungsfuhrunternehmer. Als er merkt, dass auch die Lebenden ab und zu mal irgendwohin transportiert werden müssen, kauft er ein paar Kutschen und Pferde dazu, und nach und nach wächst so die Firma, die mit einem einzigen Karren begonnen hat, und heute überträgt sein Urenkel einen Wagenpark von mehr als zwanzig Super-de-Luxe-Reisebussen auf seinen Sohn, den Ururenkel des Gründers. Ist das nicht phantastisch?«
    »Ja, ganz phantastisch«, hatte Wannes geantwortet, teilweise auch darum, weil er sich dazu genötigt fühlte.
    »… Es fängt an mit einem zufälligen Toten, der zum Friedhof gebracht werden muss, und ein paar Generationen später fahren wir die Lebenden durch ganz Europa, ins Tiroler Oberland, in die Dolomiten, an den Lago Maggiore, zum Großglockner, ins Sauerland, nach Kärnten, an die Masurischen Seen et cetera, et cetera. Ist das nicht phantastisch?«
    »Wirklich phantastisch«, begann Wannes noch einmal, diesmal klarer artikuliert. »Wirklich phantastisch – und wie schön, dass Sie das all die Jahre in der Familie halten konnten.«
    »Ach, wissen Sie, heutzutage gibt’s Leute, die würden die eigene Frau meistbietend versteigern. So ist die Welt heute. Jetzt hör ich, sie wollen unsere gute Côte d’Or an eine Schweizer Firma verkaufen. Das will mir nicht in den Kopf. Wenn man auf etwas stolz ist, hält man’s doch in der Familie, stimmt’s oder hab ich recht? An dem Tag, wenn Van-Boterdael-Reisen keinem van Boterdael mehr gehört, fress ich meinen Hut.«
    Der alte Geschäftsmann füllte die Leere des Ruhestands einfachheitshalber mit Reden und erzählte von den schwierigen Zeiten für Busunternehmer.
    »Aber die Wissenschaft arbeitet ja auch gegen uns. Früher holten wir über die Hälfte unseres Umsatzes aus unseren Fahrten nach Lourdes. Jeden Monat gingen zwei Busse zur Grotte der heiligen Bernadette, und glauben Sie mir, die waren ausgebucht bis auf den letzten Platz. Für die Reisen gab’s Wartelisten von hier bis Boelare. Und jetzt? Heut sind die Ärzte besser als die Pastoren! Sie reden weniger und bringen in Ordnung, was repariert werden muss. Je besser die Antibiotika, desto leerer die Kirchen. Und das merken wir bei unseren Busreisen natürlich auch. Selbstredend organisieren wir immer noch Fahrten nach Lourdes. Aber das Interesse ist nichts mehr im Vergleich zu früher. Darum haben wir unseren Fokus erweitert. So wie der erste van Boterdael den Schritt von den Toten zu den Lebenden machte, machen wir jetzt den von den Kranken zu den Gesunden. Innovation heißt das Zauberwort!«
    »O ja, natürlich.«
    »So natürlich ist das gar nicht! Sehen Sie sich die vielen Geschäftsleute doch an, die früher ganz gut verdient

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