Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
ablegt.«
15
Die Tür von Apartment 5B ist immer noch nur angelehnt. Soweit O’Hara feststellen kann, hat sich McLain in den vergangenen drei Tagen nicht vom Fleck gerührt. Er sitzt noch immer in denselben Klamotten an derselben Stelle auf dem Sofa und aufgrund des Flaschenwalds zu seinen Füßen und der stinkenden Dunstglocke unter der Zimmerdecke lässt sich nicht ignorieren, dass er sich weder des Whiskeys noch der Joints enthalten hat. Als sich Lowry, puterrot und verschwitzt nach seinem Aufstieg in den fünften Stock, dem Sofa nähert, versucht McLain O’Hara, die verlegen an der Tür steht, einen Blick zuzuwerfen. Doch Lowry, der den kleinen Raum vollkommen auszufüllen scheint, verstellt ihm die Sicht. »Vergiss sie, David. Sieh mich an. Ich bin Patrick Lowry, Morddezernat. Von jetzt an hast du’s mit mir zu tun. Wann bist du nach New York gekommen, David?« McLain blinzelt ihn durch den Qualm an und O’Hara ist nicht ganz sicher, ob er die Frage überhaupt verstanden hat. »Wann bist du in die Stadt gekommen, David?«
»Am vierten November.«
»Wie bist du hergekommen?«
»Bin gefahren.«
»Womit?«
»Meinem Transporter.«
»Was ist das für einer? Farbe? Baujahr?«
»Ein Aerostar, Baujahr 1986. Hat eigentlich keine Farbe. Ich würde sagen, er war mal grün. Wieso, wollen Sie ihn kaufen?«
»Gibt es einen Grund, weshalb du Detective O’Hara nichts von dem Transporter erzählt hast?«
»Sie hat mich nicht danach gefragt.«
»Wo steht er jetzt?«
»Am Tompkins Square. Ich habe einen super Parkplatz gefunden. Da kann er bis Dienstag bleiben.«
»Wir haben Donnerstag.«
»Im Ernst?«
»Du musst uns zeigen, wo du ihn geparkt hast.«
»Das kann ich Ihnen ganz genau sagen – Avenue B, kurz über der 9th auf der Seite vom Park. Die Schlüssel liegen auf dem Tisch.«
»Nein«, sagt Lowry und hebt ihn an einem Arm vom Sofa. »Du kommst mit.«
Lowry schiebt ihn auf den Rücksitz seines Wagens. O’Hara und Krekorian folgen ihnen zum Tompkins Square, wo McLain Lowry an ein Schild mit der Aufschrift PARKEN VERBOTEN – DIENSTAGS UND FREITAGS 9.30 BIS 13.30 UHR führt.
»Ich hab direkt neben dem Schild geparkt.«
»Und wo zum Teufel ist er jetzt?«
»Jemand hat ihn gestohlen.«
»Niemand klaut einen Transporter im Wert von 45 Dollar.«
»Muss aber so sein.«
Lowry schiebt McLain wieder in den Wagen. O’Hara und Krekorian folgen ihnen zur Pitt Street 19 ½, wo Lowry McLain nach oben in das Büro der Detectives und dort in die schrankgroße Kammer führt, in der die Verhöre stattfinden. Um etwas sehen zu können, muss sich O’Hara unangenehm eng an Grimes schmiegen, mit dem sie nun abwechselnd durch das kleine Fenster in der Tür späht.
»Wir wissen, dass du sie getötet hast, David«, sagt Lowry.
»Das ist nicht wahr.«
»Du tauchst bei ihr in der Wohnung auf und drei Wochen später ist sie tot. Du hast die Vermisstenanzeige aufgegeben und das Beste ist, wir haben ein Video von deinem Transporter, auf dem zu sehen ist, wie er um sechs Uhr morgens an Thanksgiving von der Stelle wegbewegt wird, an der sie gefoltert und getötet wurde. Das sind drei Zufälle zu viel.«
»Wieso hätte ich sie töten sollen? Ich habe sie geliebt. Sie war meine Freundin.«
»Sie hat dich aber nicht geliebt, David.«
»Wahrscheinlich stimmt das.«
»Wahrscheinlich? Wir haben mit ihren Freundinnen gesprochen. Keine hat je von dir gehört. Du warst seit drei Wochen hier und sie wussten nicht mal, dass es dich gibt. Du warst Francesca peinlich.«
»Vielleicht ein bisschen.«
»Wir wissen, dass sie dich für einen Versager hielt. Ich wette, sie hatte sogar Angst vor dir. Die letzte Nacht ihres Lebens hat sie alleine trinkend in einer Bar in der Rivington Street verbracht. Sie hat die Zeit totgeschlagen und ist bis zuletzt geblieben, nur um nicht in ihre Wohnung und zurück zu dir zu müssen. Als sie an dem Abend aus dem Haus ging, hatte sie dir gesagt, dass sie dich bei ihrer Rückkehr nicht mehr hier sehen wollte, stimmt’s? Hast du sie deshalb umgebracht? Weil sie wollte, dass du aus ihrem Leben verschwindest?«
Lowry ist so groß und breit, dass O’Hara McLain nur hören kann. Drei Stunden lang verlangt er keinen Anwalt und wird nicht müde, seine Unschuld zu beteuern. Er bittet nicht einmal darum, schlafen zu dürfen. Nur einen Kaffee möchte er haben.
Einmal erhebt er sich allerdings um ein paar Zentimeter und versucht, über Lowrys Schulter zur Tür zu sehen. »Ich muss mit O’Hara
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