Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Hilfe befestigt Narin zusätzliche Lampen an der Stelle, wo das Sperrholz aufgestemmt und Pena durch die Lücke gezogen wurde, und sichert alle Spuren bis zum Freemans. Es ist eine eintönige Arbeit. Als Narin genug davon hat, dass O’Hara pausenlos um ihn herumschwirrt, zieht sie sich in den Bereich zurück, aus dem schon bald die mit Kronleuchtern behangene Marmorlobby werden soll. Sie gesellt sich zu Hall und dem noch immer genervten Krekorian am Heizstrahler.
»Narin sperrt den Tatort ab«, sagt Krekorian, »hast du geglaubt, das merkt keiner?«
»Du hast ja Recht«, sagt O’Hara. »Ich schulde dir einen Drink … mindestens.«
Um das Thema zu wechseln, wendet sie sich Hall zu, der inzwischen krumm auf einem viel zu kleinen Plastikstuhl sitzt – neben ihm hängt die Liste der 48 neuen Wohneinheiten samt einer Kurzbeschreibung ihrer luxuriösen Ausstattung.
»Chuck, entschuldigen Sie, dass ich so blöd frage, aber was zum Teufel ist ein Atelier?«
»Eine Künstlerwerkstatt«, sagt er. »Ist Französisch.«
»Schon klar«, sagt O’Hara und deutet auf das Schild. »Aber was hat das mit drei Millionen Dollar teuren Apartments, korinthischem Marmor und schweineteuren Edelkühlschränken zu tun?«
»Einen Scheiß.«
Am Nachmittag entdeckt Narin ein Büschel schwarzer Haare an einem Nagel im Gerüst, Haare von derselben Länge und Farbe wie Penas. Eine Stunde später, als die Sonne bereits zu sinken beginnt, findet er drei Tropfen Blut im Rinnstein auf der Nordseite der Kreuzung Rivington und Chrystie. An der Dicke der Tropfen und den festen Konturen der Flecken erkennt Narin, dass Pena am Bordsteinrand gekauert haben muss, als sie der Schlag, vermutlich von hinten, traf. Wenig später entfernt ein Assistent einen Gullirost und fischt mit einem Netz an einer langen ausziehbaren Stange ein orangefarbenes Handy sowie ein angeknabbertes Malzhonigbonbon mit Schokoladenüberzug aus dem Dreck. Postwendend werden Haare, Blut, Telefon und Schokolade ins Labor gefahren und obwohl der Schaden längst nicht mehr gutzumachen ist, unterrichtet O’Hara Lowry unverzüglich von jeder neuen Entdeckung.
Als die Sonne vollständig untergegangen ist, erkennt O’Hara die Lichter der Streifenwagen, die weiter hinten am Park in der Forsyth Street stehen. Beim Verlassen der Baustelle sieht sie, dass nun auch auf der Chrystie Street Polizisten von Tür zu Tür gehen.
»Die suchen Überwachungskameras«, sagt Krekorian. »Oder versuchen ein Fahrzeug zu finden, das in der Nacht hier abgestellt war. Auf jeden Fall ist Pena nicht selbst in den East River Park gelaufen.«
Kein Wunder, dass Lowry Krekorian und ihr den Tatort so großzügig überließ. Als sie ihn fanden, gehörte er schon zu den ollen Kamellen. Lowry unternimmt jetzt bereits den nächsten Schritt. Als sich Lowry eine Stunde später von Grimes erneut zum Atelier chauffieren lässt und vom Beifahrersitz schält, ist er nicht genervt. Er triumphiert.
»Nur damit Sie sehen, dass ich nicht nachtragend bin«, sagt Lowry, »erzähle ich Ihnen, was wir gefunden haben … Das ist die Stelle, Red, an der Sie sagen müssen: ›Und was ist das, Detective?‹«
»Und was ist das, Detective?«
»Wir haben ein Video von einem grünen klapprigen Transporter, der von 5.20 bis 6.05 Uhr am Thanksgivingmorgen sechs Meter von hier entfernt in zweiter Reihe in der Chrystie Street parkte. Das ist jetzt die Stelle, an der Sie sagen müssen: ›Glückwunsch, Detective! ‹«
»Glückwunsch«, sagt O’Hara.
»Leider haben wir den Transporter nur von vorne im Bild und der Kamerawinkel ist so beschissen, dass wir das Nummernschild nicht lesen können.«
»Das ist aber Pech«, sagt O’Hara.
»Sehr schön«, sagt Lowry, »aber das Problem ist nicht unlösbar, denn wir können gerade noch so viel sehen, um zu erkennen, dass der Wagen nicht in diesem Staat gemeldet ist. Was mich wieder auf Ihren Kumpel David McLain bringt. Wissen Sie, der, bei dem Sie so ein gutes Gefühl haben. Ich gebe also seinen Namen in den Computer der Zulassungsstelle von Westfield, Massachussetts, ein, und raten Sie mal, wer stolzer Besitzer eines grünen Ford Aerostar Baujahr 1986 ist – vorausgesetzt man kann auf so eine Karre überhaupt stolz sein? Genau. Wir fahren jetzt rüber und holen ihn uns. Gibt es etwas, worauf wir achten müssen?«
»Er ist nicht bewaffnet, falls Sie das meinen. Dürfen wir Ihnen folgen?«
»Warum nicht? Sie dürfen sogar zuhören, wenn der kleine Pisser sein Geständnis
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