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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
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in ihrem Zimmer ist, entdeckt sie die Spalte auf Seite elf mit der Überschrift POLIZEI SUCHT FLÜCHTIGE BEAMTIN. Zwei Standbilder aus einem Überwachungsvideo bebildern den Artikel und zeigen eine Frau, die O’Hara sehr ähnlich sieht und die durch die Drehtür der – Bobst Library tritt.
    Die Bilder sind zu klein und verschwommen, als dass sie ihretwegen Gefahr liefe, mit barmherzigen Samaritern auf der Straße Ärger zu bekommen. Aber natürlich wissen Lowry und Callahan und alle anderen im 7. Bezirk, um wen es sich handelt. Die sechs Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter bestätigen dies: vier von Callahan, eine von Lowry und eine von einem Detective, dessen Namen sie noch nie gehört hat, der sich mit Tomlinsons Selbstmord beschäftigt. O’Hara löscht die Nachrichten und wirft die Zeitung weg. Jetzt kann sie ihren Arsch nur noch retten, indem sie herausfindet, wer Pena umgebracht hat. Über etwas anderes nachzudenken, wäre Verschwendung von Gehirnzellen.
    O’Hara duscht und zieht ihr neues schwarzes T-Shirt an. Es sitzt ein bisschen eng, aber wengistens ist es sauber. Sie vergräbt ihr Kinn im Kragen ihres Parkas und tritt in den kalten Morgen. An ihrer neuen Lieblingsbäckerei und dem Sunshine Cinema vorbei biegt sie rechts in die Eldrige Street und wieder rechts in die Rivington. Direkt gegenüber des Rivington Hotels steigt sie die Stufen in einen Second-Hand-Klamottenladen namens Edith Machinist hinab.
    Wie das Hojo und Yonah’s kennt O’Hara den Laden seit Jahren, hat ihn aber nie betreten und auch sonst niemals irgendwo gebrauchte Klamotten gekauft. Wie von Schimmel’s ist sie auch hier sofort begeistert, sowohl vom einzigartigen Charakter und der ausgesuchten Schönheit der ausgestellten Stücke wie auch von der Liebe und Sorgfalt, die ganz offensichtlich in deren Präsentation geflossen ist. Die Taschen, die an Haken von der Wand hängen, wirken wie Porträts von einem Dutzend unverwechselbarer Frauen, und die Stiefel, die in einem Halbkreis auf dem Boden stehen, wie Vertreter eines Jahrgangs, die für ein Wiedersehensfoto zusammengetrommelt wurden. O’Hara schlüpft aus ihrem Parka und probiert eine warme Uniformjacke der US-Marine mit großen Knöpfen an. Das Dunkelblau bringt ihre helle Haut und die Farbe ihres noch nassen Haars ausgezeichnet zur Geltung. Die Jacke sitzt so perfekt, dass die hochnäsige Verkäuferin, die O’Hara nach einem Blick auf deren Schuhe schon abgeschrieben hat, ihr Frühstück stehen lässt, um ihr behilflich zu sein.
    »Die sieht ganz toll an Ihnen aus«, sagt sie. »Und Ihr T-Shirt ist so süß, das ist ja kaum zum Aushalten.« Sie mixt Klamotten aus drei verschiedenen Jahrzehnten und stellt O’Hara ein Oufit zusammen, bestehend aus einem grauen Kaschmirpullover mit schwarzen Streifen, einem geflochteten Ledergürtel mit runder Messingschnalle und rotbraunen Stiefeln, in die sie ihre Jeans stopft. Um ihre verräterischen roten Haare und ihre Sommersprossen zu verstecken, krönt O’Hara das Ensemble mit einer blauen Skimütze und einer fetten Sonnenbrille von Gucci. Kosten insgesamt: 290 Dollar. Aufwertung in Sachen Style: unbezahlbar.
    Als O’Hara wieder auf die Straße tritt, sieht sie so schick aus, dass sie sich selbst kaum wiedererkennt. Geschweige denn Gefahr läuft, für eine Polizistin gehalten zu werden. Mit zwei nagelneuen Tüten am Arm, in denen ihre alten Klamotten stecken, geht sie problemlos in der Masse der klapperdürren Shoppingmonster unter, die durch den Eingang des Rivington Hotel stolzieren oder im Fenster von Moby’s kleinem Teesalon sitzen. Obwohl sie mit ihrem neuen Look nicht mehr Blicke männlicher Passanten auf sich zieht als vorher, können ihre weiblichen Konkurrentinnen jetzt kaum noch die Augen von ihr lassen und mustern sie frostig von der Kappe bis zu den Stiefeln.
    Auf diese Weise gleichermaßen auffällig wie unsichtbar geht O’Hara die Orchard Street entlang, bis sie vor Penas ehemaligem Hauseingang steht. Wenn sie etwas über die fehlenden einhundertelf Minuten erfahren will, muss O’Hara Penas Schritte verfolgen und zwar von dem Zeitpunkt an, in dem sie ihre Wohnung zum letzten Mal verließ. Links geht es Richtung Chinatown und da Penas nächster bekannter Zwischenstopp Tower Records war, also nördlich der Houston, geht O’Hara zunächst davon aus, dass Pena die Orchard Street rechts in nördlicher Richtung entlanggegangen ist. Wenn O’Hara Recht hat, müsste sich das beweisen lassen, auch 19 Tage später noch.

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