Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Bett liegende Bruno fehlt noch.
O’Hara packt ihren Proviant auf dem Schreibtisch aus. Beim Essen ergänzt sie die Zeitachse um ihre neu gewonnenen Erkenntnisse.
ca. 20.43 Uhr, Pena betritt die U-Bahn-Station 2nd Avenue über den Eingang Allen Street. 21.06 Uhr, Pena steigt an der Station 168th und Broadway aus. Sie rennt. 21.14 Uhr, Pena betritt die 168th mit Moreal und Consuela Entonces und steigt in eine Bahn Richtung Süden.
31 der fehlenden 111 Minuten sind nun geklärt und jetzt, da sie mehr Zeit hat, darüber nachzudenken, scheint ihr Tidas Geschichte, Pena habe die Mädchen zu Thanksgiving zum Essen ausgeführt, eindeutig gelogen. Wenn Pena 67 Minuten, nachdem sie mit den Mädchen in die Bahn gestiegen war, bei Tower Records ankam, konnte sie kaum Zeit gehabt haben, drei Stück Pizza zu verschlingen und die Mädchen anschließend in ein Taxi zu setzen. Und weshalb hätte sich Pena so beeilen sollen? Womit wir bei vier Lügen wären.
O’Hara hat sich ihr Sandwich verdient und sie lässt es sich zusammen mit einem zweiten Bier schmecken. Dann zieht sie ihr Handy heraus und geht ihre eingegangenen Anrufe durch, bis sie den von Lebowitz findet, der sie erreichte, als sie gerade in der Rivington Street Klinken putzte. Der Anruf war von seinem Handy gekommen. Als sie ihn nun unter der Nummer anruft, geht er gleich beim ersten Klingeln dran.
»Darlene, ich habe mir Sorgen um Sie gemacht.«
»Ich hab’s verkackt, hab ich Recht?«
»Nur wenn man glaubt, was in der Zeitung steht.«
»Ich fürchte, das meiste davon stimmt.«
»Dann bin ich sicher, dass Sie gute Gründe hatten.«
»Ich denke schon.«
»Pena?«
»Ja. Deshalb rufe ich auch an, zumindest indirekt hängt es mit dem Fall zusammen. Hatten Sie auch mit dem Selbstmord von Tomlinson zu tun?«
»Terri hat sich darum gekümmert, aber da ich mich persönlich für den Fall interessiere, habe ich ihr so oft wie möglich über die Schulter gesehen.«
»Hatte Tomlinson irgendwelche Tätowierungen?«
»Nein. Weshalb?«
»Ich habe gerade herausgefunden, dass eines der Mädchen, um das sich Pena gekümmert hat, dieselbe Tätowierung hatte wie sie. An derselben Stelle. Deshalb habe ich mich gefragt, ob Tomlinson vielleicht auch eine hatte – und sie eine Art geheime Schwesternschaft bildeten.«
»Keine Tätowierungen. Ich bin ganz sicher, weil ich extra nachgesehen habe. Und noch was. Ich habe mir ihr Blutbild durchgelesen. Sie hatte eine tödliche Dosis dreier verschiedener Antidepressiva geschluckt, außerdem 20 Milligramm Lorazepam. Wäre sie nicht innerhalb einer Stunde in ein Krankenhaus gekommen, wäre Tomlinson gestorben – mit oder ohne Sprung. Ich dachte, das würden Sie vielleicht wissen wollen.«
»Danke, Sam, ich weiß das zu schätzen«, sagt O’Hara und merkt, dass sie sich wünscht, das Gespräch würde noch nicht zu Ende sein.
»Wo übernachten Sie?«, fragt Lebowitz.
»Das ist hier ein neues schickes Hotel in der Houston, namens Howard Johnson’s. Sehr exklusiv, sehr obskur. Aber die Ironie kommt nicht bei jedermann an.«
Der Witz zündet nicht und es entsteht beklommenes Schweigen.
»Das ist komisch«, sagt Lebowitz schließlich.
»Sicher?«
»Sie müssen mich für einen hoffnungslosen Fachidioten halten.«
»Tu ich nicht. Ehrlich nicht. Ich meine, jedenfalls nicht für hoffnungslos. Wobei Sie natürlich sehr viel mehr von hoffnungslosen Fällen verstehen als ich.«
»Der war gut«, sagt Lebowitz und klingt dieses Mal tatsächlich ansatzweise amüsiert. »Es ist schön, Ihre Stimme zu hören, Darlene. Bitte rufen Sie wieder an, wenn Sie noch etwas brauchen.«
»Ist auch schön, Ihre Stimme zu hören«, sagt O’Hara, und merkt beim Auflegen, dass ihr Lebowitz’ Schüchternheit ein Lächeln abringt.
Das Gespräch erinnert O’Hara wieder an die Bobst Library, was kein angenehmer Gedanke ist. Erneut sieht sie Tomlinsons dürre Arme und Beine durch die Luft rudern – ein Bild, das sie den ganzen Tag verdrängt hat. O’Hara lenkt ihre Aufmerksamkeit von Tomlinson auf deren Rivalin Evelyn Lee. Vielleicht war es vorschnell, die Puffmutter aus Tenafly von der Liste der Verdächtigen zu streichen, nur weil O’Hara die Sache mit dem gestellten Halloweenbild peinlich war. Lee mag als Zuhälterin oder Geschäftsfrau wenig taugen, aber das bedeutet noch lange nicht, dass Pena ihr nicht doch Kunden abwarb. Und wenn Pena einen von Lees Klienten privat weiter bediente, dann hatte mindestens einer der drei Freier gelogen, die
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