Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
Inhaber. Der mich auf dem Video angelächelt hat, der meine Schwester vergewaltigt und geschlagen hat. Ich muss ihn finden.
» Wo ist diese Party?«
» Ich glaube, in seinem Haus, aber ich weiß es nicht sicher, bitte tu mir nichts.«
» Kennst du die Adresse?«
» Nein, ich schwöre es.«
Ich glaube ihr. » Lauft. Das ist eure Chance, hier rauszukommen. Lauft.«
Von den sechs Frauen im Flur flüchten vier, ohne zu zögern, in ihrer Spitzenunterwäsche. Die beiden anderen bleiben. Offenbar haben sie genauso viel Angst vor der Aussicht auf Freiheit wie vor der drohenden Gefahr.
» Lauft, was ist los mit euch?« Die Polizei wird gleich hier sein, ich habe keine Zeit. Ich halte dem angeschossenen Sicherheitsmann die Pistole ins Gesicht.
» Zviman! Wo steckt er? Sag’s mir, dann ruf ich einen Krankenwagen für dich.«
Der Mann flüstert eine Adresse, und ich schlage ihn mit seinem eigenen Knüppel bewusstlos.
» Das ist dein Krankenwagen«, sage ich. Ich drücke den Schlagstock gegen die Wand– das Ende ist ein bisschen blutig–, um ihn einzufahren.
Ich treibe die beiden widerstrebenden Frauen hinaus, vorbei an dem verheirateten Freier, der von den Schmerzen seiner zertrümmerten Kniescheiben das Bewusstsein verloren hatte, vorbei an den jammernden College-Boys. Sie versuchen, hinter die Couch zu kriechen, als sie mich sehen, die kleinen Lieblinge. Ich habe ihnen eine Lektion erteilt, die sie nie vergessen werden.
Wieder draußen auf der Straße, mit einer Schar flüchtiger Frauen.
» Entführst du uns?«, fragt eine.
» Was?«
» Damit wir in einem anderen Bordell arbeiten?«
Ihre Frage tut mir weh, Sam. » Nein, Schätzchen, ihr seid frei.«
Ein paar Blocks weiter sehe ich ein Krankenhaus, ich treibe sie darauf zu. Polizeiwagen rasen mit Sirenengeheul an ihnen vorbei.
Ich ignoriere die Autos, die Bullen, die Blinklichter. Mit meiner Lederkluft halten sie mich vielleicht für eine der flüchtenden Prostituierten. Ich bringe die Mädchen noch in die Notaufnahme des Krankenhauses, dann verschwinde ich.
Ich muss einen Mann besuchen– oder jemanden, der sich als Mann bezeichnet.
69
TelAviv, Israel
Es ist ein prächtiges Haus mit Blick über das Mittelmeer, auf einem Hügel im Norden der Stadt gelegen, nicht weit vom Strand entfernt. Die Zuhälterei muss verdammt einträglich sein. Es sieht aus wie das Haus eines rechtschaffenen Geschäftsmannes. Genauso gut könnte es einem Software-Experten, einem Immobilieninvestor oder einem angesehenen Anwalt gehören. Eine Mauer mit einem Eingangstor umgibt das Haus. Ich klettere über das Tor. Aus dem Haus höre ich elektronische Tanzmusik pulsieren, ganz ähnlich der Musik im Bordell. Sind diese Männer so jämmerlich, dass sie auch noch Tanzrhythmen brauchen, um Frauen zu vergewaltigen?
Ich steige zu der Steinterrasse hinauf. Halbleere Gläser stehen auf dem Tisch: Rotwein, Maccabi-Bierflaschen, Scotch. Die Party scheint vorbei zu sein. Sind vielleicht schlechte Nachrichten gemeldet worden?
Ich drücke die Türklinke. Unverschlossen. Im ersten Raum stehen mehrere schwere Ledercouchen. Der Geruch von Salamipizza liegt schwer in der Luft, außerdem steigt mir der Duft von Marihuana in die Nase. Ich habe es erst einmal gerochen, auf einer Party in Chişin ă u, während meiner Lehrerausbildung.
Ich gehe über den Flur, die Pistole feuerbereit.
An einer dunklen Tür vorbei, und plötzlich spüre ich den Lauf einer Pistole an den Haaren.
Ich erstarre.
» Lass die Waffe fallen«, sagt eine Stimme. Auf Russisch.
Ich tu es.
Die Pistole führt mich zurück über den Flur, dann kommt der Mann nach vorne. Groß und kräftig, rothaarig, mit schweren Lippen und Tränensäcken. » Ich hab sie!«, ruft er auf Englisch. Aus dem Zimmer weiter vorne tritt der Mann mit der Irokesenfrisur. Die Haare stehen nicht hoch, sondern sind kurz geschoren. Er ist genauso kräftig gebaut wie der Russe. Man hätte erwartet, dass er einen stattlicheren Leibwächter engagieren würde. Er hat ein Durchschnittsgesicht und steingraue Augen, trägt ein hübsches Hemd über seiner Jeans.
» Wer ist mit dir hier?«, fragt er mich auf Englisch.
» Niemand. Nur ich.«
» Wenn du lügst, schießt dir mein Freund das Ohr ab.«
» Ich lüge nicht.«
» Schau mich an, du Stück Dreck.«
Ich sehe ihn an und er mich, stirnrunzelnd zuerst, dann lächelnd. » Komm mit«, fordert er mich auf. Er nimmt die Pistole des Russen, setzt sie mir an den Kopf und schiebt mich vorwärts. » Du checkst
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