Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
kämpfte gegen die Wut an, die in mir glühte. Ich hatte schon Menschen getötet, zum ersten Mal vor einigen Wochen, und unter normalen Umständen war das nichts, was man gern wiederholen würde. Aber sie hätte ich gut umbringen können.
Sie lächelte wie die Katze, die mit der Maus spielt, bevor sie sie zerfetzt. » Ich verkaufe Glück, Mr. Capra. Ich gebe verzweifelten Eltern genau das, was sie sich wünschen.«
» Wo ist mein Sohn?«
» Sie fragen, als glaubten Sie wirklich, ich würde es Ihnen sagen.« Sie nahm noch einen Schluck Bier und rückte auf ihrem Stuhl etwas näher heran, so als wollte sie mir eine lustige Geschichte oder einen Witz erzählen, als würden wir nur einen netten Abend hier verbringen. » Ich werde Ihnen nicht sagen, wo Ihr Sohn ist. Aber ich verrate Ihnen, wie Sie ihn zurückbekommen können.«
» Wie?«
» Sie sollen einen Mann für mich töten.« Sie betonte jedes einzelne Wort, als wäre ich schwerhörig.
Ich schwieg, und sie fügte hinzu: » Das haben Sie doch schon öfter getan.«
» Nicht kaltblütig.«
» Fällt es Ihnen leichter, wenn ich Ihnen versichere, dass er’s verdient hat?«
» Wer?«
» Wir haben einen Verräter entdeckt und wollen ihn ausschalten.« Sie lächelte. » Wir haben Ihren Sohn, deshalb denke ich, Sie werden nicht Nein sagen.«
» Machen Sie’s doch selbst.«
» Wir haben zurzeit keinen Zugriff auf ihn. Ich denke, Sie können ihn finden und an ihn herankommen. Sie töten ihn für uns, und wir geben Ihnen Ihren Sohn zurück, lebend und wohlauf.«
» Und warum sollte ich Ihnen das glauben?«
» Warum? Wenn wir Sie und Ihren Sohn töten wollten, hätten wir Sie längst getötet.« Sie lächelte und nippte erneut von ihrem Bier. » Weil Sie keine Wahl haben, Sam. Das ist doch ganz einfach. Sie müssen tun, was wir sagen. Wir haben Sie in der Hand.« Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. » Ihr Sohn ist wirklich süß. Er hat Ihre Augen, den Mund hat er von seiner Mutter.«
» Sie haben ihn verkauft.«
» Das hat man Ihnen gesagt, aber es stimmt nicht. Wir haben Daniel bei uns behalten, für den Fall, dass er uns nützlich sein könnte. Ich glaube, das war eine kluge Entscheidung.«
» Ich soll also jemanden umbringen.« Ich war einen Moment lang unschlüssig. Dieser Mann musste irgendetwas Besonderes an sich haben. Er musste schwer zu finden sein oder schwer zu töten.
» Und wir dulden keinen Fehlschlag. Wenn Sie ihn nicht töten, würden wir Daniel vielleicht trotzdem am Leben lassen– Sie werden es nie erfahren–, doch wir würden ihn sicher nicht an eine nette Familie verkaufen. Es gibt jede Menge unappetitliche Leute… die gern Babys kaufen.«
Ich hätte ihr am liebsten den schweren Tisch ins Gesicht geknallt. Doch ich unterdrückte meine Wut und hob sie für später auf. Irgendwann würde der Moment kommen.
» Oh, oh«, sagte Anna. » Zorn ist so destruktiv. Okay, ich sage Ihnen jetzt, wie wir’s machen. Nicken Sie, wenn Sie’s verstehen, ich habe Ihre Stimme langsam satt.«
Ich nickte.
» Ihre Zielperson kommt morgen nach New York. Sie kriegen einen Partner bei Ihrer Suche, eine Frau, die verdammt gut darin ist, Leute zu finden, die nicht gefunden werden wollen. Und sie ist sehr motiviert, genau wie Sie.« Anna lachte selbstgefällig, es klang geradezu zwitschernd. » Also. Fliegen Sie nach New York, finden Sie ihn, und töten Sie ihn.«
» Ich brauche eine Garantie, dass Sie mir Daniel geben.«
Sie zog ein Foto aus der Jacke und schob es mir über den Tisch zu.
Ich wusste, dass es Daniel war. Ich wusste es, so wie ein Soldat sein Kind auf einem Foto erkennt, nachdem er lange von seiner Familie getrennt war. Eine blaue Decke hüllte ihn ein, seine grünen Augen schauten in die Kamera, kein Lächeln im Gesicht, doch er weinte auch nicht, sondern schien sich für das Ding zu interessieren, das da über ihm ein Foto von ihm knipste. Ein Arm griff hinauf, der Mund zahnlos, die Wangen rund und voll. Er sah gut aus. Wohlbehütet. Dünnes blondes Haar auf dem Kopf wie ich als Baby.
Ich biss die Zähne zusammen.
» Also. Wenn Sie die Zielperson getötet haben und Daniel bei Ihnen ist, sind wir miteinander fertig. Sie verfolgen uns nicht länger. Sie helfen weder der CIA noch dem FBI oder sonst jemandem, der uns verfolgt. Sie ziehen sich aus dem Spiel zurück. Seien Sie ein guter Daddy.«
» Wie soll die Übergabe verlaufen?«
» Sobald das Ziel tot ist, rufen Sie eine Nummer an, die ich Ihnen gebe. Sobald wir uns vergewissert
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