Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
sich ein Auto vor sie schieben wollte und sie nicht nachgab. Ihre Hände zitterten am Lenkrad.
Die Limousine fuhr vom Highway ab und gelangte in eine Parklandschaft. Sie ließ sich zurückfallen: Hier war die Gefahr bemerkt zu werden noch größer. Ein unbändiges Verlangen nach einer Zigarette überkam sie.
Die Limousine bog in eine von Eichen gesäumte Allee ein. Schilder wiesen darauf hin, dass es sich um Privatgrund handelte und das Betreten bei Strafe verboten sei. Leonie fuhr geradeaus weiter. Falls der Chauffeur bereits misstrauisch gewesen sein sollte, würde er jetzt denken, dass er sich geirrt hatte.
Hoffentlich.
Sie parkte am Straßenrand zwischen ein paar Eichen. Sie würde auf Sam warten, das war bestimmt das Beste.
Und wenn der Fahrer den Auftrag hatte, Mrs. Ming zu töten? Oder aus ihr herauszubekommen, wo sich Jack aufhielt? Dann war alles verloren. Sie und Sam mussten ihn finden und eliminieren, bevor er Novem Soles verraten konnte.
Zitternd versuchte sie, Sam zu erreichen. Es meldete sich nur die Mailbox. Sie hinterließ eine Nachricht, teilte ihm mit, wo sie sich befand und dass sie zu Fuß auf der Straße weitergehen würde, in die die Limousine eingebogen war. Sie bemühte sich, das Zittern in ihrer Stimme zu beherrschen.
Wenn du im Auto bleibst, stirbt Taylor vielleicht. Hab keine Angst. Du schaffst das. Es kommt ganz auf dich an.
Ihre Gedanken verliehen ihr tatsächlich neuen Mut.
Sie stieg aus und machte sich auf den Weg durch den dichten Wald. Dahinter sah sie die schmale Linie der asphaltierten Straße, auf der die Limousine weitergefahren war. Sie gelangte zu einem Zaun, etwa zweieinhalb Meter hoch. Auch hier stand ein Schild: BETRETEN VERBOTEN . Mit Hilfe des Schildes kletterte sie über den Zaun und sprang ins hohe Gras hinunter.
Sie lief parallel zur Straße weiter, zwischen den Bäumen verborgen. Der Schlamm saugte sich an ihren Schuhen fest. Die Feuchtigkeit hing schwer in der Luft, Regentropfen fielen von den Blättern auf ihre Schultern, auf den Kopf.
Die Straße machte erneut eine Biegung. Sie stieg über glitschige Felsen, atemlos vor Anspannung. Sie würde nachsehen, was der Fahrer und Mrs. Ming taten. Wenn möglich, würde sie mit der Frau verschwinden. Falls Mrs. Ming ihnen verraten konnte, was Jack vorhatte, dann mussten sie mit ihr sprechen, bevor jemand anderes die Gelegenheit nutzte.
Natur, dachte sie. Es roch nach Moos und ein wenig nach Verwesung. Im Grunde war es gar nicht so übel hier draußen. Vielleicht sollte sie öfters von ihrem Computer wegkommen. Sie stellte sich vor, eine lange Wanderung zu unternehmen, obwohl sie das seit ihrer Kindheit nicht mehr getan hatte. Taylor würde sie auf dem Rücken tragen, und die Sonne würde ihre Gesichter wärmen. Aber nicht in Las Vegas. Viel zu heiß. Sie könnte mit Taylor übers Wochenende an den Lake Tahoe fahren, sobald das alles ausgestanden war. Im Schatten der Bäume würde sie durch die Landschaft spazieren, ihrer Tochter die Blumen zeigen und schöne Erinnerungen sammeln. Sie würde all das tun, was sie sich einst vorgenommen hatte, falls sie je ein Kind haben würde… falls sie noch eine Chance dazu bekam.
Du kannst das schaffen, sagte sie sich.
In der Ferne hörte Leonie eine Frau schreien, kurz und scharf. Es war, als hätte der Wind das Geräusch zu ihr getragen und ihr in den Schoß gelegt wie ein Geschenk.
Sie erstarrte für einen Augenblick, dann rannte sie los, zwischen den Bäumen hindurch. Sie rutschte aus und schlitterte einen schlammigen Abhang hinunter, landete auf der Straße, die direkt zu einem alten Haus führte. Die Limousine stand davor, sonst war kein Fahrzeug zu sehen. Das Haus konnte einen frischen Anstrich vertragen und wirkte insgesamt sanierungsbedürftig: komische Gedanken, die ihr da durch den Kopf gingen. Zwischen ihr und dem Haus lag eine großzügige Rasenfläche, die sie überqueren musste.
Keine Spur von dem Fahrer oder Sandra Ming.
Sie sprintete über den Rasen und sprang auf die Veranda, möglichst leise. Die Dielen knarrten ein wenig unter ihren Schritten, jedes kleine Geräusch wie ein Messerstich. Sie wartete darauf, dass der Fahrer durch die Haustür herausgestürmt kam. Doch die Tür blieb geschlossen. Sie presste das Ohr an ein Fenster und lauschte. Nichts als ihr eigenes schweres Atmen.
Sam, bitte, wo bleibst du? Komm endlich. Einen Moment lang dachte sie: Vielleicht haben diese Leute– CIA oder wer auch immer– Sam geschnappt. Jemand hat bei den Mings auf
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