Die letzte Nacht
würde, bis er gezahlt hatte.
»Aber wie soll er zahlen, wenn er gefangen ist?«
»Eben, das ist absurd! Wenn niemand zahlt, wird es Matteo schlecht ergehen.«
»Sie sagen, er sei gar nicht krank?«
»Er ist kerngesund, aber verzweifelt.«
»Hm …« Anita Pedrini war misstrauisch. »Warum zahlen Sie nicht? Sie sind doch der Schwager.«
»Ich habe nicht so viel Geld auf einmal. Hören Sie, ich weiß, dass es Ihnen merkwürdig erscheint, aber Matteo braucht unbedingt Hilfe!«
»Ich weiß nicht, ob ich mich da einmischen will.«
Contini musste lange reden, bis er sie überzeugt hatte. Es war beinahe Viertel nach sieben, als sie endlich bereit war, ihm zu helfen. Anita Pedrini willigte vor allem aus Neugier ein, zumal sich ihr Beitrag darauf beschränkte zu klingeln.
Das würde Contini zumindest den Vorteil der Überraschung sichern. Aber der Detektiv wusste nicht genau, wer oder was ihn hinter Marellis Wohnungstür erwartete. Vermutlich Elton, aber wie? Bewaffnet? Allein, oder in Begleitung eines Gehilfen? Und die Gefangenen? Waren sie in einem Zimmer eingeschlossen? Waren sie zusammen oder getrennt? Und wenn sie in den letzten Stunden das Versteck gewechselt hatten? Wenn er am Ende zu spät gekommen war?
Es gab nur eine Möglichkeit, das in Erfahrung zu bringen.
»Ich bin bereit!«, sagte Anita Pedrini, während sie aus dem Bad kam. »Ich habe mich ein bisschen frisch gemacht, ich Ärmste, morgens ist es immer eine Katastrophe mit mir!«
Contini lächelte. Anita Pedrini fragte:
»Soll ich also jetzt gleich klingeln?«
19
Überfall auf die Junker-Bank
Salviati öffnete die Bürotür und bat seine Gäste, es sich bequem zu machen. Er legte einen Stift zurecht und schob einen Briefbeschwerer beiseite. Dann nahm er am Schreibtisch Platz. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass rechts von ihm ein Tablett mit drei Tassen und einem Milchkännchen stand.
»Ich will Ihnen nicht Ihre Zeit stehlen. Es müssen nur ein paar Formalitäten erledigt werden.«
»Kein Problem«, erwiderte Claudio Melato.
Seit Jahren hatte Salviati keinen derartigen Betrug mehr begangen. Früher war es seine Spezialität gewesen. Wenn er sich mit einer Person befasste, gelang es ihm leicht, deren Gestik und Art zu sprechen zu verinnerlichen. So ahmte er selbst in Bellonis Büro noch den Direktor nach, obwohl keinerlei Gefahr mehr bestand. Der Einzige, der Belloni persönlich kannte, war Giuseppe Locatelli, der ahnungslos am Eingang wartete: Francesca hatte ihn im richtigen Moment abgelenkt. Außerdem hatte Locatelli den falschen Belloni nur im Dunkeln, mit Schal und Hut vermummt gesehen.
Melato und sein Leibwächter wirkten ruhig, beinahe ein wenig gelangweilt. Zwischen ihnen auf dem Boden, vor dem Schreibtisch, stand die schwarze Tasche mit den zehn Millionen.
»Waren Sie lange unterwegs?«, fragte Salviati, während er in Bellonis Aktenmappe kramte.
»Ich bin gestern nach Lugano gekommen«, antwortete Melato.
»Eine gute Idee. Besser, man reist in Ruhe.«
Salviati zog eine Thermoskanne aus der Mappe.
»Ich habe ein bisschen Kaffee von daheim mitgebracht. Es gibt hier einen Automaten, aber der Kaffee ist ungenießbar.«
Melato lächelte.
»Das ist immer so …«
Salviati fing an, den Kaffee zu verteilen.
»Ach, ich soll Sie übrigens von Herrn Koller grüßen und auch unseren gemeinsamen Freunden Grüße ausrichten lassen.«
Salviati spielte damit auf den Besitzer der Millionen an, eines jener Individuen, die man in den entsprechenden Kreisen nur indirekt erwähnen durfte.
»Ich danke Ihnen«, Melato deutete auf die Tasche. »Endlich können wir diese Sache erledigen.«
»Gewiss«, Salviati lächelte, »und wir von der Junker-Bank sind darüber sehr froh!«
Der Leibwächter nahm die Tasche und legte sie auf den Schreibtisch. Salviati schob seinen Stuhl ein Stück zurück. Der Leibwächter öffnete den Reißverschluss der Tasche.
»Nach dem aktuellen Kurs ein Wert von zehn Millionen Schweizer Franken«, bemerkte Melato. »Wie vereinbart.«
Salviati nahm die Geldzählmaschine vom Schreibtisch und überprüfte schweigend den Betrag. Euro und Franken, aufgeteilt in vierzehn Bündel zu je tausend Scheinen, im Gesamtwert von zehn Millionen Franken. Er packte sie zurück in die Tasche und schloss den Reißverschluss.
»Perfekt, perfekt!« Er sah zuerst Melato, dann dessen Bodyguard an, der wieder Platz genommen hatte. »Aber ich würde vorschlagen, bevor wir die Angelegenheit zum Abschluss bringen, trinken wir einen Kaffee!
Weitere Kostenlose Bücher