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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Locarnos, unentschlossen, was sie mit ihm anfangen sollten, nutzten ihn mal als Parkplatz, mal als Kinosaal und mal als Rollschuhbahn. Während sie auf ihren Wein warteten, fragte Francesca:
    »Hast du ihn gefunden, diesen Marelli?«
    »Noch nicht. Aber der, mit dem ich gesprochen habe, hat mit ihm zusammengearbeitet und kennt ihn gut.«
    »Weiß er, wo er ist?«
    »Nein, aber er hat mir erzählt, er habe ihn zwei Mal in Locarno gesehen. Daraufhin sei er stutzig geworden und habe sich umgehört. Er dachte, er müsse irgendein krummes Ding laufen haben. Aber niemand weiß etwas …«
    »Versteckt er sich hier in Locarno?«
    »In der Gegend. Offenbar ist er im Maggiatal gesehen worden.«
    »Und du meinst, die Tochter deines Freundes ist auch dort?«
    »Wer weiß.«
    Der Kellner brachte den Wein. Normalerweise erzählte Contini ihr nie etwas von seiner Arbeit. Aber diesmal machte er eine Ausnahme. Am Anfang hatte sie sich gefragt, weshalb. Vielleicht, weil es nicht um die Arbeit ging, sondern darum, die Tochter eines Freundes zu suchen.
    Außerdem war da noch diese Geschichte mit dem Bankraub. Francesca konnte es einfach nicht glauben.
    Aber Contini beharrte: »Ich meine es ernst, Francesca.«
    »Unmöglich!«
    »Ich kann Jean nicht im Stich lassen, verstehst du? Das kann ich nicht.«
    »Aber er will Geld stehlen. Stehlen!«
    »Ich kann’s nicht verhindern …«
    »Aber … aber du bist kein Dieb!«
    »Nein.« Sie hatte den Eindruck, als lächle Contini, obwohl er keine Miene verzog. »Nein, ich bin kein Dieb. Ich muss Jean helfen.«
    »Wie habt ihr euch kennengelernt?«
    So, jetzt hatte sie ihn direkt gefragt. In den vergangenen Tagen hatte sie höchstens ab und zu mal eine Frage angedeutet, und Contini verstand sich bestens darauf, angedeuteten Fragen auszuweichen.
    »Das ist verdammt lange her. Weißt du, was ich merkwürdig finde?«
    Er verstand es, direkten Fragen auszuweichen.
    »Marelli scheint mir nicht der Typ zu sein, der Frauen entführt. Kann schon sein, dass er die Idee mit dem Coup hatte, aber warum bloß hat Forster ihn beauftragt, mit Salviati in Kontakt zu bleiben?«
    »Vielleicht, weil er ihm vertraut.«
    »Vertrauen? Das ist nicht Forsters Sache. Diese Frau neulich hat mir erzählt, dass Marelli mit einem Mädchen namens Lina telefoniert hat. Und wenn es Salviatis Tochter war?«
    »Was würde das bedeuten?«
    »Dass Lina nicht entführt wurde. Dass zwischen Lina und Matteo Marelli ein Verhältnis besteht, das ich gerne ergründen würde …«
    Francesca seufzte. Die Geschichte wurde kompliziert. Offenbar hatte Contini die komplizierten Geschichten für sich gepachtet.
    »Und was hast du vor?«, fragte sie ihn.
    »Dummerweise wird die Zeit knapp.« Contini leerte sein Glas und überprüfte den Rechnungsbetrag. »Forster ist nervös, und er besteht auf seinem Banküberfall.«
    »Das kann ich nicht glauben! Wie will man hier in der Schweiz eine Bank überfallen?«
    Contini legte das Geld auf den Tisch. Sie zwängten sich zwischen den Tischen durch und liefen unter den Arkaden entlang.
    »Ich weiß auch nicht, wie das gehen soll«, bestätigte Contini wenig später. »Aber Jean wird einen Weg finden.«
    »Und wir wollen uns da reinziehen lassen?«
    »Jean hat mich gebeten … äh, was heißt hier ›wir‹?«
    Francesca wandte sich um und sah ihm fest in die Augen.
    »Contini, glaub ja nicht, dass ich einen Rückzieher mache.«
    »Francesca …«
    »Ich will doch nicht die sein, die dir später die Orangen ins Gefängnis bringt!«
    »Aber es ist eine riskante Sache und …«
    Francesca küsste ihn auf die Wange und blieb ernst.
    »Wenn du eine Bank überfällst, bin ich dabei. Klar?«
    Contini nickte. Keiner der beiden sagte etwas. Dann lächelte Francesca.
    »Gehen wir nach Hause, ich koche dir was zu essen!«
    Männer und Frauen hatten hier gelebt. Lina konnte es kaum glauben. Zwischen diesen Schluchten und Felsen, den Bergmassiven, die den Blick auf den Himmel versperren. Auf engstem Raum, in aneinandergedrängten Steinhütten, hatten die Bewohner des Bavonatals Heu geerntet, Kastanien gegessen und jahrelang mehr schlecht als recht ihr Leben gefristet.
    Jetzt wirkte das Tal verlassen. Lina wusste, dass dem nicht so war, dass sich weiter unten, entlang der Straße, Scharen von Touristen tummelten. Aber hier oben waren sie und Matteo allein mit ihren Ängsten.
    Als sie hinter sich im Wald Schritte hörte, war ihre erste Reaktion ein Anflug von Panik. Das konnte nicht Matteo sein, sie hatte ihn gerade

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