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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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bin sicher, dass Salviati es schafft.«

14
Banktätigkeit
    Reto Koller liebte Routine. Und er liebte sie, obwohl er nie einer reinen Routinearbeit nachgegangen war. Er hatte im Personalwesen begonnen, bei der Auswahl der Mitarbeiter. Am Anfang hatte er es noch darauf angelegt, seine Kollegen aus ihren Jobs zu schmeißen und dann aber schnell begriffen, wie sich Langeweile vertreiben lässt: indem man den Wettbewerb erhöht.
    Wer in der Personalabteilung arbeitet, sollte darauf achten, dass die, die man selbst eingestellt hat, mindestens ein Jahr lang bleiben und nicht bereits nach der Einarbeitung von einer anderen Firma weggeschnappt werden. Wichtig ist auch, dass sie nicht zu schnell Karriere machen und nicht zu oft die Abteilung wechseln. Um mit Kollers Vorgesetztem zu sprechen, heißt das knapp: Treue, Bescheidenheit, Geradlinigkeit.
    Auf diese Triade gestützt, hatte Koller Karriere gemacht. Eine langsame Karriere, versteht sich, aber eine stetige. Sein Anteil an neu übernommenen »geeigneten« Mitarbeitern, wie sein Chef sie nannte, war kontinuierlich gestiegen; bis er in die Führungsebene gewechselt hatte. Zuerst hatte er im Hintergrund agiert und seinen Vorgesetzten geholfen, Investitionsmodelle an einige institutionelle Kunden zu verkaufen. Auch hier war er darum bemüht gewesen, den geringen Handlungsspielraum durch Wissbegierde wettzumachen. Dank seiner Arbeit mit weniger riskanten Investitionspaketen hatte er gelernt, Anzeichen von Gefahr zu erkennen, die nach guter helvetischer Tradition nie allzu offenkundig waren. Das Schweizer Private Banking spielt auf hohem Niveau und wird durch ständige Kontrollen reguliert: Die Grenzen der Legalität zu streifen, ohne sich zu verstricken, ist schwierig.
    Koller hatte sich nicht verstrickt. Er hatte Stil und Besonnenheit an den Tag gelegt, zwei entscheidende Voraussetzungen. So war er allmählich zum Verkauf von Privatfonds mit hohem Risikofaktor übergegangen. Also zu solchen mit einer potentiell hohen Rendite für den Kunden und, was die Provision betrifft, einer sicheren Marge für die Bank. Auf diesem Gebiet hatte er seine besondere Stärke bewiesen.
    Am Ende hatte Koller die Bank gewechselt. An einem bestimmten Punkt kann man sich das erlauben: Treue und Bescheidenheit müssen hinter den klaren Vorstellungen zurückstehen. Nun saß Koller in einem Eckbüro im dritten Stock des Hauptsitzes der Junker-Bank in der Züricher Poststrasse, in der Nähe des Paradeplatzes. Seine Arbeit bestand nunmehr hauptsächlich aus der Pflege von Kundenkontakten, da sich um die Ausarbeitung der Investitionspläne ein Team junger Haie kümmerte. Zurzeit war Koller damit beschäftigt, seine besten Kunden davon zu überzeugen, mit ihm zur Junker-Bank zu wechseln. Er hatte beträchtliche Anteile, sein Chef konnte ihn dazu nur beglückwünschen. Natürlich ließ sich immer noch mehr rausholen, aber …
    Seine Gedanken wurden durch die Haussprechanlage unterbrochen. Die Sekretärin kündigte einen Anruf von Signor Belloni an.
    »Buongiorno!«, rief Koller, darum bemüht, mit seinem Italienisch Eindruck zu schinden. »Wie steht’s im sonnigen Tessin?«
    Belloni leitete die Junker-Filiale in Bellinzona, eine der beiden Niederlassungen im Tessin. Koller plante eine Einzahlung in Bellinzona und einige Monate später eine weitere in der Luganer Filiale.
    »… na ja, zum Glück gibt es Klimaanlagen«, sagte Belloni, »denn es ist wirklich heiß hier!«
    Koller wusste, dass das die Standardantwort war. Die im Tessin tätigen Mitarbeiter der Junker-Bank ließen oft und gern Bemerkungen über die hohen Temperaturen fallen. Der Hinweis auf die Klimaanlage verdeutlichte die Lage: Wir sind zwar im Süden, aber das heißt nicht, dass wir nicht arbeiten.
    »Signor Fröhlich, der Direktor hat mich angerufen«, sagte Belloni, »und er hat mir die Bedeutung dieses … Transfers erläutert.«
    Belloni wählte die Worte. Es kam nicht oft vor, dass der oberste Chef, Georg Fröhlich höchstpersönlich, die Direktoren der kleineren Filialen anrief.
    »Gewiss, Herr Belloni.« Koller sprach jetzt Deutsch, um anzudeuten, dass er zum Kern der Unterredung kam. »Es ist eine besondere Situation, etwas heikel … Bargeld. Ein wichtiger Kunde, verstehen Sie? UHNW .«
    Koller bemerkte, dass Belloni den Atem anhielt. UHNW : Ultra High Net Worth. Eine Bezeichnung, die für Kunden ab fünfzig Millionen aufwärts stand.
    »Das übersteigt den in Ihrer Filiale üblichen Rahmen, können Sie mir folgen?«
    »Ja,

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