Die letzte Nacht
überprüfen. Zumindest die erste Zeit. Wie heißt es doch gleich: Informationen verlieren nicht ihren Wert, nur weil man entlassen wurde.«
»Zweifellos«, murmelte Koller.
»Und bisweilen«, fuhr Fischer fort, während sie an einer Wiese vorbeikamen, »scheint es mir sogar ratsam, Gerüchte ernst zu nehmen. Man sollte nichts außer Acht lassen.«
»Das stimmt.«
Die Wiese war mit blässlichen Körpern übersät, die in der Sonne schmorten. Einige Leute lasen und verdeckten die Augen vor dem Licht, andere schliefen oder spielten Karten. Zwei junge Männer warfen sich eine Frisbeescheibe zu. Koller dachte: Sind die nicht seit den Siebzigerjahren verschwunden?
»… und deshalb wollte ich mit dir darüber sprechen«, endete Fischer.
»Ganz recht«, sagte Koller, obwohl er einige Sätze nicht mitbekommen hatte. »Um was geht es denn?«
»Nun ja«, Fischer hüstelte, »ich bin, wie gesagt, nicht sicher … aber es hat scheinbar mit einem der neuen Kunden zu tun, die du zur Junker mitgebracht hast.«
»Ah.«
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass ein ehemaliger Angestellter Zugriff auf Informationen über eine Reihe von Transfers gehabt hat. Natürlich sind das Gerüchte, aber …«
Fischer beendete den Satz nicht. Koller zog die Stirn in Falten. Das hatte gerade noch gefehlt, eine undichte Stelle zu diesem Zeitpunkt konnte in einer Katastrophe enden. Schon gar, wenn es sich um einen Transfer von kritischen Geldern handelte.
»Weißt du Genaueres?«
»Ich arbeite dran.« Fischer trat nach einem Stein auf dem Weg. »Aber bisher habe ich noch keine Namen. Ich wollte dir jedoch sagen, dass du vorsichtig sein musst, und zwar … wie heißt’s, bei jedem Schritt deiner Transaktion.«
Koller hatte verstanden. Er musste sich vor den Gefahren schützen, die von außen drohten, aber vor allem auch vor Angriffen aus dem Hinterhalt.
»Glaubst du, dass jemand Informationen verkauft?«
»Möglich ist es. Wir wissen es nicht genau.«
Koller brauchte keine weiteren Details. Es kommt nicht allzu oft vor, dass in der Schweiz jemand versucht, eine Bank übers Ohr zu hauen. Aber gerade aus diesem Grund ist es nicht ausgeschlossen, dass einer, wenn er die richtigen Informationen hat, Schaden anrichten kann.
Diesmal war das ganze jedoch zu früh aufgeflogen.
»Keine Sorge«, Koller sah Fischer an und deutete ein Lächeln an. »Du hast gut daran getan, mich zu warnen. Ich werde auf der Hut sein, und wenn irgendein Bastard ein falsches Spiel treibt, werde ich es ans Licht bringen.«
15
Der Informatiker
Als Giotto Raspelli an der Technischen Hochschule Zürich studierte, wurde er von seinen Tessiner Freunden »Testina«, das Köpfchen, genannt, eine Anspielung auf seinen Hang zur Logik. Aber vielleicht war er einfach nur jemand, der gern studierte und sich nichts aus Festen machte.
Raspelli selbst sah sich, obwohl er Informatiker war, in erster Linie als schöpferischen Geist. Beinahe als einen Dichter. Beinahe, denn Dichter lieben, ebenso wie Mathematiker, die nutzlosen Dinge. Raspelli liebte es dagegen, sich konkreten Zielen zu widmen. Eine gefährliche Leidenschaft, die ihn bereits drei Mal den Arbeitsplatz gekostet hatte, wegen Betruges, Wirtschaftsspionage und der Nutzung von Betriebsmitteln zu unlauteren Zwecken.
In allen Fällen hatten es die Firmen vorgezogen, ihn strafrechtlich nicht zu verfolgen. Das hätte nämlich ans Licht gebracht, dass ihre Computersysteme voller Schlupflöcher waren. Im letzten Fall hatte es sich um eine Bank gehandelt. Sie hätten ihn lieber nicht einstellen sollen. Raspelli war fähig, aber eine Bank war zu viel. Als seine Machenschaften aufflogen, wurde er auf der Stelle entlassen.
Raspelli hatte jedoch noch rechtzeitig ein paar kleine Tricks gelernt. Und natürlich auch, wie man ein paar Franken verdient.
So war er nun glücklicher Inhaber des Info 3000, eines Computergeschäfts mit Sitz in der Züricher Langstrasse 32, das von einer gemischten Kundschaft frequentiert wurde. Boshafte Zungen munkelten, dass dort Hehlerware an den Mann gebracht wurde, aber Raspelli scherte sich nicht darum; er war stolz, frei zu sein, nicht vorbestraft und (beinahe) wie ein Dichter.
»Hör mal, Karl«, sagte er zu einem Alten mit einem Gesicht wie ein aufgeschreckter Maulwurf, »das Problem ist nicht, ob ich alles löschen kann, was auf dem Computer ist …«
»Das is doch kein Problem, oder?«, murmelte der Alte in schönstem Schwyzerdütsch.
»Es gibt keine Probleme, Karl, es gibt nur Lösungen. Ich
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