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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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die Bürger der Stadt nicht mit Lärm, dafür kamen aber im Schnitt pro Monat drei Rentner unter die Räder.
    Gleichzeitig mit Koller ergoss sich ein Strom von Angestellten in Hemdsärmeln auf die Bahnhofstrasse, die gefaltete Jacke über dem Arm. Viele hatten Sporttaschen dabei, um die Mittagspause im Fitnesscenter zu verbringen. Bars und Restaurants hatten Tische auf die Straße gestellt, aber wer in der Gegend arbeitete, suchte sich lieber ein ruhigeres Plätzchen in einer Seitenstraße.
    Koller nahm die Neun bis zur Haltestelle Bellevue. Auch hier herrschte reges Treiben. Neben Angestellten stiegen Mütter mit Kindern und Jugendliche aus, die zum Seeufer wollten. Koller hob den Blick. Hinter den Bäumen, jenseits der Kaibrücke, schimmerte hell das Wasser.
    Er schlug die entgegengesetzte Richtung ein, überquerte die Theaterstrasse. Thomas Fischer wartete neben einer Imbissbude auf ihn. Vor einem Stand mit Bratwürstchen, Cervelat und halben Hähnchen hatte sich eine Schlange gebildet. Fischer war ein Banktier: klein, fast kahl, zwei kleine, wache Augen, die sich in einem blassen Gesicht verloren. Er begrüßte Koller mit einem Händedruck und fragte:
    »Woll’n wir hier was essen?«
    Koller nickte, und sie stellten sich in die Schlange. Als sie an der Reihe waren, nahm jeder eine Bratwurst, die mit einem Stück Brot und einem Schälchen Senf in eine Serviette gewickelt war. Rings um den Imbiss-Stand waren ein paar Tische mit Sonnenschirmen verteilt. Koller und Fischer fanden zwei freie Plätze neben einer Dame um die sechzig, die in ein Schultertuch gehüllt damit beschäftigt war, ein halbes Hähnchen mit den Händen zu essen.
    Fischer ging zwei Bier holen. Koller sah sich um. An den Tischen saßen hauptsächlich Angestellte wie sie, junge Pärchen und Rentner. Ein Fastfood-Imbiss nach Schweizer Art, mit diesen Würstchen und diesem Senf, bei denen dir schon vom Hinschauen der Hals brennt.
    »Nun, wie läuft’s mit euren Millionären?«, erkundigte sich Fischer, nachdem er einen kräftigen Schluck Bier genommen hatte.
    »Die kommen und gehen«, erwiderte Koller, »aber wir bleiben.«
    Auch das war eine Standardantwort.
    »Weißt du was?« Fischer wischte sich mit der Serviette über den Mund. »Ich bin froh, dass du bei der Junker-Bank bist. Wir brauchen Leute mit Mumm.«
    »Ich bin auch froh.« Koller tunkte die Bratwurst in den Senf. »In einer großen Bank sind einem die Hände gebunden. Hier ist es anders.«
    »Bei uns gibt es auch strenge Kontrollen.«
    »Selbstverständlich.« Koller würdigte die Arbeit des Kollegen mit einer höflichen Geste. »Aber da wo ich vorher gearbeitet habe, war’s die Hölle. Außer den üblichen Kontrollen hatten die noch Blitztests eingeführt, um die Mitarbeiter auf ihre Kompetenzen zu prüfen …«
    »Ja, es gibt Firmen, die das machen. So können sie sich rausreden, wenn sich hinterher einer als unfähig erweist.«
    »Zum Glück ist bei der Junker-Bank niemand unfähig …«
    »Nein.« Fischer nahm einen Schluck Bier und wischte sich den Mund ab. »Wir stellen Leute ein, die kein Risiko scheuen.«
    Fischer schlug vor, nach dem Essen einen kurzen Spaziergang am Seeufer zu machen. Koller willigte ein, denn er war neugierig, den wahren Grund für diese Einladung zum Mittagessen zu erfahren. Kurz hinter dem Bellevueplatz floss die Limmat aus dem Zürichsee. Fischer und Koller nahmen einen Fußweg, der am See entlangführte.
    »Weißt du was?«, sagte Fischer. »Als du zu uns gekommen bist, haben wir eine genaue Prüfung vorgenommen.«
    »Das hab ich mir gedacht.«
    »Du bist sauber, kein Problem. Außerdem waren schließlich wir es, die nach dir Ausschau gehalten haben, oder?«
    Koller nickte nur. Der Weg lag im Schatten einer Reihe von Linden. Kleine Kinder auf Rollern und Fahrrädern flitzten um sie herum. Sie wurden von einem Kerl überholt, der beim Joggen seinen Hund an der Leine führte.
    »Aus diesem Grund wollte ich mit dir sprechen.« Fischer senkte die Stimme. »Du bist einer, dem man vertrauen kann.«
    Koller spürte, dass sie beinahe zum Punkt gekommen waren. Aber er wartete geduldig ab: Er wusste, dass Stil in Zürich nach wie vor etwas zählte. Sie waren schließlich nicht in Amerika, wo man eine Nachricht überbrachte und das war’s. Nein, in der Schweiz war die Kunst der wortreichen Umschreibung noch nicht verloren gegangen.
    »Ich habe es immer als meine Pflicht erachtet«, sagte Fischer, »die pensionierten Mitarbeiter, oder jene die fortgehen, zu

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