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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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betrachtet, ich habe all diese Bücher über Banküberfälle gelesen. Aber dann hat Anna mir klargemacht, dass … na ja, dass wir hier sind und dass es ernst ist.«
    »Ich bin euch sehr dankbar.«
    »Das wissen wir, und …«
    »Ich werde euch nicht aktiv mit reinziehen, das verspreche ich.«
    »Ich weiß. Es ist nur, dass wir an so was nicht gewöhnt sind.«
    »Daran gewöhnt man sich nie. Halt hier an.«
    Sie waren vor der Junker-Bank. Das Gebäude wirkte massiv aber unscheinbar. Ziegelwände, helles Foyer. Davor ein kleiner Garten mit einer Platane und einem Bänkchen. Links die Hauptstraße. Salviati befahl Filippo, in einer Seitenstraße, Richtung Daro, zu parken. Dann deutete er auf die Platane vor der Bank.
    »Dort musst du hin und die Videokamera im Rucksack mitnehmen. Richte sie auf den Eingang und bewege sie dann nicht mehr.«
    »Auf den Eingang? Willst du wissen, wer rein- und rausgeht?«
    »Nicht den ganzen Tag. Du musst um halb acht am Morgen hier sein, wenn das Wachpersonal und die anderen kommen. Sie fangen alle ungefähr zur gleichen Zeit an: der Kassierer, die Sekretärin, der Direktor und die drei Angestellten.«
    »Aber hattest du nicht gesagt, das Geld käme an einem Sonntag? In dem Fall …«
    »Ich weiß, es wird nur der Direktor und einer vom Wachpersonal dabei sein. Aber du sollst alle filmen. Auch wenn sie wieder rauskommen. Und wenn der Direktor sich entfernt, musst du den Rucksack drehen und ihn verfolgen.«
    »Aber wie soll ich das machen? Wenn ich nicht durchgucken kann, werde ich den falschen Ausschnitt wählen.«
    »Das lässt sich nicht vermeiden. Aber wenn du dir alles noch mal anschaust, kannst du die Position korrigieren. Du darfst nicht zu stark zoomen. Du wirst sehen, dass es dir nach ein paar Tagen gelingt.«
    »Woll’n wir’s hoffen.«
    »Nicht zu viele Tage in Folge. Leg Pausen ein. Lass dir ruhig ein paar Wochen Zeit. Komm her, nimm eine Zeitung und setz dich auf das Bänkchen, wie jemand, der zu früh zu einer Verabredung kommt. Du könntest Anna sagen, dass sie dich abholen soll, dann sieht es so aus, als würdest du auf sie warten.«
    Salviati sprach in kurzen Sätzen und behielt dabei die Bank im Blick. Filippo hatte ihn noch nie so gesehen. Er war nicht länger der Gärtner von Madame Augustine, ein sympathischer Dorfbewohner aus der Provence, mit dem man gemeinsam einen fröhlichen Sommerabend verbrachte.
    »Ich zeige dir, wie du die Kamera im Rucksack anbringen musst, und das erste Mal werde ich dich begleiten. Wichtig ist, dass du natürlich bleibst. Schaffst du das?«
    »Bestimmt. Das ist nicht schwer, oder?«
    »Nein, wenn du ruhig bleibst. Aber du darfst nicht an den Überfall denken. Du tust nichts Verbotenes. Setz dich hin, stell deinen Rucksack ab und lies die Zeitung.«
    Diese leise gesprochenen Worte, dieser starre Blick, nahmen Filippo die letzten Zweifel. Salviati war ein Profi. Das war eine kriminelle Handlung. Er ließ sich hier auf etwas ein, das er sein Leben lang nicht vergessen würde. Einer Bank zehn Millionen stehlen! Das passierte ihm, Filippo Corti. Lehrer für Naturwissenschaften, Bellinzona-Fan und Liebhaber von Thrillern. Tja, eine Weile lang würde er keine mehr sehen, soviel stand fest!
    »Keine Sorge, Jean. Das schaffe ich schon.«
    »Gut. Es ist sehr wichtig für das Gelingen des Plans.«
    »Vertrau mir!«
    »Ich vertraue dir …« Salviati sah ihn an. »Und ich danke dir.«
    Während er von Bellinzona in Richtung Daro nach Hause fuhr, überlegte er, wann er Anna von diesem Auftrag erzählen sollte. Er lächelte bei dem Gedanken an ihre Reaktion. Sie würde aufgeregt und ziemlich erschrocken sein. In letzter Zeit geschah etwas zwischen ihm und Anna. In gewisser Weise waren sie sich nähergekommen. Auch wenn sie häufiger stritten, oder vielleicht gerade deswegen.
    Sie waren sich nicht auf dieselbe Weise nahe wie bei einer langen Reise im Auto oder ausgestreckt nebeneinander auf einem Handtuch am Strand. Nein, es war eine viel aufregendere Nähe. Als befänden sie sich ganz oben in einer Achterbahn und blickten auf den Rummel zu ihren Füßen, bevor sie Arm in Arm kopfüber hinabsausten.

5
Letzte Gelegenheit
    Für einen Vater ist es jedes Mal ein schwieriger Augenblick. Am Anfang die Geburt. Man wartet so versessen auf sie, dass man in diese Veränderung all seine Hoffnungen legt. Nichts wird mehr sein wie zuvor. Dann die Kindheit, die keine Unaufmerksamkeit zulässt: Jeder kleine Schritt ist ein unwiederbringliches Ereignis. Schließlich

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