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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Berufstracht das Zimmer betraten. Sie schienen bei seinem Anblick ein wenig überrascht. Bin ich etwa zu früh aufgewacht? überlegte Poole. Der Gedanke erfüllte ihn mit kindlicher Befriedigung.
    »Hallo!«, brachte er nach mehreren Versuchen heraus. Seine Stimmbänder waren wie eingerostet. »Wie geht’s mir denn?«
    Die Oberschwester legte lächelnd einen Finger auf die Lippen, eine unmißverständliche Geste. Dann machten sich die beiden Pflegerinnen routiniert ans Werk: Pulskontrolle, Fiebermessen, Reflextests. Als die eine seinen rechten Arm anhob und ihn wieder fallen ließ, stutzte Poole: Der Arm sank langsam herab und erschien ihm ungewöhnlich leicht. Er versuchte, sich aufzurichten. Auch sein Körper wog weniger als normal.
    Ich muß also auf einem Planeten sein, dachte er. Oder in einer Raumstation mit künstlicher Schwerkraft. Bestimmt nicht auf der Erde – dafür bin ich nicht schwer genug.
    Er hatte die entsprechende Frage schon auf den Lippen, als die Schwester etwas gegen seinen Hals drückte. Ein leichtes Kribbeln, und schon sank er wieder in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Kurz bevor ihn das Bewußtsein verließ, ging ihm noch ein Gedanke durch den Kopf.
    Sonderbar – sie haben die ganze Zeit über kein einziges Wort gesprochen.

3
Resozialisation
    Als Poole zum zweiten Mal erwachte und die Oberschwester und die Pflegerinnen an seinem Bett stehen sah, fühlte er sich kräftig genug, um etwas entschiedener aufzutreten.
    »Wo bin ich? Wenigstens soviel können Sie mir doch verraten!«
    Die drei Frauen wechselten ratlose Blicke. Dann sagte die Oberschwester sehr langsam und deutlich: »Es ist alles in Ordnung, Mr. Poole. Professor Anderson wird gleich hier sein … Er kann Ihnen alles erklären.«
    Was gibt es da denn zu erklären? dachte Poole gereizt. Immerhin spricht sie Englisch, wenn auch mit einem ziemlich merkwürdigen Akzent …
    Dieser Anderson war offenbar schon unterwegs gewesen, denn gleich darauf ging die Tür auf – und Poole sah ganz kurz, wie eine Gruppe von Schaulustigen neugierig zu ihm hereinspähte. Allmählich kam er sich vor wie ein neues Tier im Zoo.
    Professor Anderson war klein und sehr gepflegt. In seinen Zügen verbanden sich Schlüsselmerkmale mehrerer Rassen – der chinesischen, der polynesischen und der nordischen – zu einer höchst ungewöhnlichen Mischung. Zur Begrüßung hielt er Poole zunächst die rechte Handfläche entgegen, dann besann er sich kurz und schüttelte ihm die Hand, aber so zögerlich, als sei ihm diese Geste völlig fremd.
    »Wie schön, daß Sie schon wieder so munter sind, Mr. Poole … Sie werden im Handumdrehen wieder auf den Beinen sein.«
    Auch der Professor hatte diesen merkwürdigen Akzent, diese langsame Sprechweise – aber der demonstrative Optimismus am Krankenbett war offenbar allen Ärzten aller Zeiten gemeinsam.
    »Freut mich zu hören. Vielleicht könnten Sie mir jetzt ein paar Fragen beantworten …«
    »Natürlich, selbstverständlich. Nur einen Augenblick noch.«
    Anderson wandte sich an die Oberschwester und redete leise und schnell auf sie ein. Poole bekam nur ein paar Worte mit, und davon waren ihm einige vollkommen unbekannt. Dann nickte die Oberschwester einer der Pflegerinnen zu, die öffnete einen Wandschrank, nahm ein schmales Metallband heraus und schickte sich an, es Poole um die Stirn zu legen.
    »Wozu soll das gut sein?« fragte er – er war einer von den schwierigen und für die Ärzte so lästigen Patienten, die immer ganz genau wissen möchten, was mit ihnen geschieht. »Wollen Sie ein EEG schreiben?«
    Professor, Oberschwester und Pflegerinnen sahen ihn gleichermaßen verdutzt an. Dann erhellte ein Lächeln Andersons Gesicht.
    »Ach – Sie meinen ein Elektro … Enzeph … alo … gramm«, sagte er so langsam, als müsse er das Wort aus den tiefsten Tiefen seines Gedächtnisses zutage fördern.
    »Ganz recht. Wir wollen Ihre Gehirnfunktionen überwachen.«
    Mein Gehirn würde tadellos funktionieren, wenn ich es nur benützen dürfte, knurrte Poole innerlich. Aber jetzt kommen wir wenigstens weiter – endlich.
    »Mr. Poole …« Andersons Stimme klang immer noch so gekünstelt, als unternehme er die ersten Gehversuche in einer Fremdsprache. »Sie wissen natürlich, daß Sie einen schweren Unfall hatten und – verletzt – wurden, als sie sich zu Reparaturarbeiten außerhalb der
Discovery
befanden?«
    Poole nickte.
    »Ich habe allerdings das unbestimmte Gefühl«, bemerkte er trocken, »daß ›verletzt‹

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