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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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die ihm nichts bedeuteten. In den ersten Wochen, solange er sich noch keinen entsprechenden Datenspeicher angelegt hatte, führte er kaum ein Gespräch, das nicht von kurzgefaßten Biographien unterbrochen worden wäre.
    Als Poole wieder zu Kräften kam, ließ Professor Anderson allmählich eine immer größere Zahl von sorgsam ausgewählten Besuchern zu ihm. Fachärzte waren darunter, Wissenschaftler verschiedener Disziplinen und – was Poole am meisten interessierte – Raumschiffkommandanten.
    Den Ärzten und Historikern konnte er wenig erzählen, was nicht schon irgendwo in den gigantischen Datenspeichern der Menschheit lagerte, aber oft konnte er ihnen den Zugang zu seiner Zeit erleichtern und ihnen neue Einsichten vermitteln. Alle behandelten ihn mit ausgesuchtem Respekt und hörten geduldig zu, wenn er versuchte, ihre Fragen zu beantworten, aber sie zögerten, sich den seinen zu stellen. Poole hielt ihre Scheu, ihn eventuell einem Kulturschock auszusetzen, für ziemlich übertrieben und schmiedete schon halbwegs ernstgemeinte Fluchtpläne. Doch wenn man ihn – selten genug – allein ließ, stellte er ohne große Verwunderung fest, daß die Tür zu seiner Suite versperrt war.
    Mit Dr. Indra Wallace kam die Wende. Ihrem Namen zum Trotz hatte sie hauptsächlich japanisches Blut in den Adern, und Poole brauchte nicht viel Phantasie, um sie sich in manchen Situationen als ziemlich reife Geisha vorzustellen. Auch wenn der passende Vergleich für eine anerkannte Historikerin mit einem virtuellen Lehrstuhl an einer Universität, die sich immer noch ihres echten Efeus rühmte, wohl nicht ganz passend war. Sie war die erste Besucherin, die Pooles Englisch fließend beherrschte, und schon deshalb war er hocherfreut, ihre Bekanntschaft zu machen.
    »Mr. Poole«, begann sie sehr sachlich. »Man hat mich zu Ihrer offiziellen Führerin und – sagen wir – Mentorin bestimmt. Die erforderlichen Qualifikationen sind vorhanden – ich habe mich auf Ihre Zeit spezialisiert – meine Doktorarbeit trug den Titel: ›Der Zusammenbruch des Nationalstaats in den Jahren 2000-2050.‹ Ich glaube, wir können uns gegenseitig in vielen Dingen behilflich sein.«
    »Davon bin ich überzeugt. Bitte, holen Sie mich schnellstens hier heraus, damit ich wenigstens etwas von Ihrer Welt sehen kann.«
    »Genau das hatte ich vor. Aber zuerst brauchen Sie einen Identifikator, denn ohne ihn wären Sie – wie war noch der Ausdruck? – eine Unperson. Sie könnten praktisch nirgendwo hingehen und so gut wie nichts erreichen. Kein Eingabegerät würde Ihre Existenz anerkennen.«
    »Darauf war ich gefaßt.« Poole lächelte säuerlich. »Es hatte schon zu meiner Zeit angefangen – und vielen Leuten war die Vorstellung ein Greuel.«
    »Manche denken immer noch so. Das sind die Aussteiger, die sich in die unberührte Natur flüchten – wovon die Erde heute viel mehr zu bieten hat als in Ihrem Jahrhundert! Aber sie nehmen immer ihre Kom-Paks mit, damit sie um Hilfe rufen können, sobald sie in Schwierigkeiten geraten. Was im Durchschnitt nach fünf Tagen der Fall ist.«
    »Wie bedauerlich. Die Menschen von heute sind offenbar ziemlich dekadent.«
    Er wollte sich behutsam an die Grenzen ihrer Toleranz herantasten, um ihre Persönlichkeit auszuloten. Sie würden viel Zusammensein, und er war in hundert verschiedenen Dingen auf ihre Hilfe angewiesen. Dabei war er noch nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt sympathisch fand; und für sie war er womöglich nur ein interessantes Museumsstück.
    Sehr zu seiner Überraschung pflichtete sie ihm bei.
    »Da mögen Sie recht haben – in mancher Beziehung. Schon möglich, daß wir physisch schwächer sind, aber dafür sind wir gesünder und besser angepaßt als die meisten unserer Vorfahren. Der Edle Wilde war nie etwas anderes als ein Mythos.«
    In der Tür war in Augenhöhe eine kleine, rechteckige Tafel eingelassen, etwa so groß wie eins der Schundhefte, die einst in grauer Vorzeit, als das gedruckte Wort noch dominierte, wie eine Seuche grassiert hatten. Mindestens eine solche Tafel gab es offenbar in jedem Raum. Normalerweise war sie leer, aber manchmal zeigte sie auch Buchstaben und Ziffern, die langsam weiterliefen und für Poole keinen Sinn ergaben, obwohl er die meisten Worte kannte. Einmal hatte die Tafel in seiner Suite hektisch zu piepsen begonnen, aber er hatte nicht weiter darauf geachtet und sich darauf verlassen, daß sich schon jemand darum kümmern würde. Zum Glück hatte das Geräusch so

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