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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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hatten ein Denkmal hinterlassen.
    Oft waren diese Denkmäler nur schwer von den natürlich entstandenen Formationen um die Thermalschächte zu unterscheiden, und selbst wo sie nicht auf chemische Prozesse zurückzuführen waren, konnte man nicht mit Sicherheit sagen, ob sie durch Instinkt oder durch Intelligenz entstanden waren. Die Termitenbauten auf der Erde waren nicht weniger imposant als die Gebilde im Inneren des einzigen, riesigen Ozeans, der diese Eiswelt bedeckte.
    Entlang dieses schmalen, fruchtbaren Streifens in den Wüsten der Tiefe mochten ganze Kulturen, ja, Zivilisationen entstanden und wieder verschwunden sein, waren womöglich gewaltige Heerscharen unter dem Oberbefehl eines europanischen Tamerlan oder Napoleon marschiert – oder vielmehr geschwommen. Und der Rest der Welt hätte es nie erfahren, denn alle diese Wärmeoasen waren so isoliert voneinander wie die Planeten im Sonnensystem. Die Geschöpfe, die sich im Schein des Lavaflusses sonnten und rings um die Thermalschächte ihre Nahrung fanden, konnten die lebensfeindliche Wildnis zwischen den einsamen Inseln nicht überwinden. Jede dieser Kulturen – hätte sie jemals Historiker oder Philosophen hervorgebracht – wäre überzeugt gewesen, allein im Universum zu sein.
    Und doch war nicht einmal der Raum zwischen den Oasen völlig ohne Leben; es gab Geschöpfe von solcher Zähigkeit, daß sie sogar den dort herrschenden Bedingungen getrotzt hatten. Häufig fanden sich die europanischen Gegenstücke zu den Fischen der Erde – stromlinienförmige Torpedos, angetrieben von vertikal stehenden Schwänzen, gesteuert von Flossen am Körper. Die Ähnlichkeit mit den erfolgreichsten Meeresbewohnern der Erde war unvermeidlich; wenn die Evolution vor den gleichen technischen Problemen steht, wird sie zwangsläufig auf sehr ähnliche Lösungen verfallen. Man denke an den Delphin und den Hai, die äußerlich fast identisch sind, obwohl sie von weit entfernten Ästen des Lebensbaumes abstammen.
    Dennoch gab es einen sehr deutlichen Unterschied zwischen den Fischen der europanischen Meere und denen in irdischen Ozeanen: Die Fische auf Europa hatten keine Kiemen, denn die Gewässer, in denen sie schwammen, enthielten kaum eine Spur von Sauerstoff. Wie bei den Geschöpfen, die um die geothermischen Schächte der Erde lebten, basierte ihr Metabolismus daher auf Schwefelverbindungen, die in dieser vulkanischen Umgebung im Überfluß vorhanden waren.
    Und nur sehr wenige besaßen Augen, denn abgesehen vom Flackerschein der Lavaergüsse und von der Biolumineszenz, die gelegentlich das Wasser erhellte, wenn ein Geschöpf auf Partnersuche war oder seine Beute jagte, war dies eine Welt ohne Licht.
    Und eine Welt, die dem Untergang geweiht war. Nicht allein, weil ihre Kraftquellen nur sporadisch Energie abgaben und sich ständig verlagerten, auch die Gezeitenkräfte, die sie antrieben, wurden stetig schwächer. Selbst wenn die Europaner wirklich Intelligenz entwickelten, waren sie gefangen zwischen Feuer und Eis.
    Und nur ein Wunder konnte sie vor dem Untergang retten, wenn ihre kleine Welt endgültig zufror. Dieses Wunder hatte Luzifer bewirkt.

26
Tsienville
    Mit gemächlichen hundert Stundenkilometern kam Poole über der Küste herein. Bis zum letzten Augenblick wartete er darauf, daß irgend jemand eingriff, aber nichts geschah, nicht einmal, als er langsam an der schwarzen, abweisenden Fassade der Großen Mauer entlangschwebte.
    Der Name für den Europa-Monolithen war wie von selbst entstanden, denn im Gegensatz zu seinen kleinen Brüdern auf der Erde und auf dem Mond war er waagerecht aufgestellt, und seine Länge betrug mehr als zwanzig Kilometer. Doch obwohl er vom Volumen her buchstäblich milliardenmal größer war als TMA-0 und TMA-1, wies er genau die gleichen Proportionen auf – jenes faszinierende Verhältnis von 1:4:9, das im Lauf der Jahrhunderte zu so vielen numerologischen Spinnereien Anlaß gegeben hatte.
    Da die Große Mauer fast zehn Kilometer hoch aufragte, klang die Theorie, sie diene unter anderem als Windschutz, um Tsienville vor den verheerenden Stürmen zu bewahren, die gelegentlich vom Galileischen Meer herüberfegten, durchaus einleuchtend. Seit sich das Klima stabilisiert hatte, waren diese Stürme zwar sehr viel seltener geworden, doch tausend Jahre zuvor hätten sie wohl alle Lebewesen davon abgehalten, den Ozean verlassen zu wollen.
    Poole hätte den Tycho-Monolithen – den man ihm. auf dem Flug zum Jupiter so sorgsam verheimlicht

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