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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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weit vom Gerippe des ersten Raumschiffs, das je auf dieser Welt gelandet war. Die Europaner hatten das chinesische Unglücksschiff längst ausgeschlachtet und alle Metallteile entfernt, doch es diente immer noch als Denkmal für seine Besatzung; auch hatte man pietätshalber die einzige ›Stadt‹ auf der ganzen Welt – auch wenn sie von Außerirdischen erbaut war – ›Tsienville‹ genannt.
    Poole hatte sich vorgenommen, über dem Meer herunterzukommen und dann ganz langsam Tsienville anzusteuern – in der Hoffnung, man würde diese Form der Annäherung als freundlich, oder wenigstens nicht als feindselig interpretieren. Ein ziemlich naiver Gedanke, wie er sich selbst eingestand, aber eine bessere Alternative war ihm nicht eingefallen.
    Plötzlich, er hatte soeben die Tausend-Kilometer-Marke unterschritten, gab es eine Störung – nicht die erhoffte, aber doch eine, die nicht unerwartet kam.
    »Hier Flugsicherungskontrolle Ganymed, wir rufen die
Falcon.
Sie sind von Ihrem Flugplan abgewichen. Bitte nennen Sie uns sofort die Gründe dafür.«
    Es fiel ihm nicht leicht, eine so dringende Aufforderung zu ignorieren, aber es war unter diesen Umständen doch wohl das beste. Genau dreißig Sekunden und hundert Kilometer später wiederholte Ganymed seine Aufforderung. Wieder schwieg Poole – nicht aber die
Falcon.
    »Hast du dir das auch gut überlegt, Frank?« fragte das Shuttle. Poole hätte schwören können, daß die Computerstimme beunruhigt klang, obwohl er genau wußte, daß er sich das nur einbildete.
    »Natürlich,
Falcon.
Ich weiß genau, was ich tue.«
    Das traf nun ganz gewiß nicht zu, und die nächste Lüge – diesmal vor einem sehr viel anspruchsvolleren Publikum – war jeden Augenblick fällig.
    Am Rand des Armaturenbretts blinkten Lämpchen auf, die nur ganz selten aktiviert wurden. Poole lächelte zufrieden: Alles lief nach Plan.
    »Hier Flugsicherungskontrolle Ganymed!
Falcon,
können Sie mich hören? Sie fliegen manuell, deshalb kann ich Ihnen nicht behilflich sein. Was ist los? Sie stürzen weiter auf Europa zu. Erbitte umgehend Meldung.«
    Poole wurde von leichten Gewissensbissen geplagt. Er war ziemlich sicher, die Stimme der Fluglotsin zu erkennen, es handelte sich um eine sehr charmante Dame, die er kurz nach seiner Ankunft in Anubis bei einem Empfang des Bürgermeisters kennengelernt hatte. Man hörte deutlich, wie aufgeregt sie war.
    Plötzlich fiel ihm ein, wie er sie beruhigen – und zugleich eine Idee verfolgen konnte, die er bis dahin als komplett verrückt abgetan hatte. Vielleicht lohnte sich der Versuch, jedenfalls konnte er nichts schaden.
    »Hier Frank Poole auf der
Falcon.
Mit mir ist alles in Ordnung – aber irgend etwas hat offenbar die Steuerung übernommen, das Shuttle wird von Europa angezogen. Ich hoffe, Sie können mich hören – ich werde die Verbindung halten, so lange es geht.«
    Er hatte die besorgte Fluglotsin wenigstens nicht direkt angelogen und konnte ihr, wenn er sie – hoffentlich – eines Tages wiedersah, mit reinem Gewissen gegenübertreten.
    Jetzt mußte er nur immer weiterreden und möglichst überzeugend klingen, damit niemand merkte, wie er sich um die Wahrheit herumdrückte.
    »Ich wiederhole, hier spricht Frank Poole an Bord des Shuttle
Falcon …
Wir stürzen auf Europa zu. Offenbar hat eine fremde Kraft die Kontrolle über mein Raumschiff übernommen. Ich rechne mit einer sicheren Landung.
    Dave – hier spricht dein alter Schiffskamerad Frank. Bist du es, der mein Shuttle steuert? Ich habe Grund zu der Annahme, daß du dich auf Europa befindest.«
    Er hätte nicht im Traum mit einer Antwort gerechnet: Selbst der Flugsicherungskontrolle hatte es vor Schreck die Sprache verschlagen. Und doch bekam er so etwas wie eine Reaktion. Die
Falcon
sank ungehindert weiter dem Galileischen Meer entgegen.
    Europa lag nur fünfzig Kilometer unter ihm. Jetzt konnte Poole schon mit bloßem Auge den schmalen, schwarzen Streifen am Rand von Tsienville erkennen, wo der größte Monolith von allen Wache hielt – falls es tatsächlich das war, was er tat.
    So nahe war dieser Welt seit tausend Jahren kein Mensch mehr gekommen.

25
Feuer in der Tiefe
    Über Jahrmillionen war Europa eine Meereswelt gewesen. Eine Eiskruste hatte die verborgenen Wasser vor dem Vakuum des Weltraums geschützt. Zumeist war das Eis kilometerdick, doch an verschiedenen Schwachstellen war es aufgerissen und klaffte auseinander. Dort hatte ein kurzer Kampf zwischen zwei unversöhnlichen

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