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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Alltags geworden wie das Telefon zu dessen Beginn. Ja, wer es ablehnte, sich der überwältigenden Mehrheit anzuschließen, machte sich automatisch abweichlerischer Tendenzen verdächtig.
    Natürlich waren alle Bürgerrechtsorganisationen rechtschaffen empört, als die ›Gehirnsonden‹, wie die Kritiker sie nannten, immer weitere Verbreitung fanden. Einer der zündendsten Slogans lautete ›Zerebralhelm oder Gedankenfreiheit?‹ Doch allmählich setzte sich – trotz erheblicher Widerstände – die Einsicht durch, mit dieser Form der Überwachung werde weit schlimmeren Übeln vorgebeugt; und es war kein Zufall, daß mit der allgemeinen Verbesserung der psychischen Gesundheit eine rapide Abnahme des religiösen Fanatismus einherging.
    Als der lange Kampf gegen die Cybernet-Verbrecher endlich entschieden war, fanden sich die Gewinner im Besitz einer Kriegsbeute, die sie gewaltig in Verlegenheit brachte und jeden Sieger früherer Zeiten vor eine unlösbare Aufgabe gestellt hätte. Einen Teil bildeten natürlich Hunderte von schwer zu entdeckenden und noch schwerer zu beseitigenden Computerviren. Doch daneben gab es sehr viel beängstigendere Schöpfungen – man fand kein besseres Wort dafür – wahre Kunstwerke von Seuchen, gegen die kein Kraut gewachsen war und in manchen Fällen auch niemals wachsen würde …
    Viele waren mit den Namen großer Mathematiker verbunden, die über diesen Mißbrauch ihrer Entdeckungen entsetzt gewesen wären. Es ist eine Eigenart der Menschen, durchaus reale Gefahren mit albernen Namen zu belegen, um ihnen ihren Schrecken zu nehmen, deshalb klangen die Bezeichnungen oft eher scherzhaft: der Gödel-Kobold, der Mandelbrot-Irrgarten, die Kombinatorische Katastrophe; die Transfinite Falle; das Conway-Rätsel; der Turing-Torpedo; das Lorenz-Labyrinth; die Boole’sche Bombe; die Shannon-Schlinge; die Cantor-Katastrophe …
    Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht, soweit das möglich war, arbeiteten alle diese mathematischen Greuel nach dem gleichen Prinzip. Ihr Erfolg beruhte nicht etwa auf einer einfachen Speicherlöschung oder Code-Zersetzung – das wäre zu plump gewesen. Vielmehr brachten sie das Wirtsgerät dazu, ein Programm aufzurufen, das vor dem Ende des Universums nicht abgeschlossen werden konnte oder – der Mandelbrot-Irrgarten war ein Paradebeispiel dafür – buchstäblich unendlich viele Einzelschritte vorsah.
    Ein solcher Fall wäre etwa die Berechnung von Pi oder einer anderen irrationalen Zahl gewesen. Doch in eine derart simple Falle wäre nicht einmal der primitivste elektro-optische Computer getappt: die Zeit, in der sich die Blechtrottel bei dem Versuch, eine Zahl durch Null zu teilen, die Zahnräder abschliffen, bis sie zu Staub zerfielen, war längst vorbei …
    Die größte Hürde für die dämonischen Programmierer hatte darin bestanden, ihre Opfer zu überzeugen, daß es für die gestellte Aufgabe eine eindeutige Lösung gebe, die in einer endlichen Zeitspanne zu finden sei. Doch im Zweikampf zwischen Mensch (meist waren es Männer, trotz einiger weiblicher Rollenvorbilder wie Lady Ada Lovelace, Admiral Grace Hopper und Dr. Susan Calvin) und Maschine war die Maschine fast ausnahmslos der Verlierer geblieben.
    Es wäre möglich gewesen – wenn auch manchmal schwierig und sogar riskant –, die erbeuteten Abscheulichkeiten durch Befehle wie LÖSCHEN/ÜBERSCHREIBEN zu zerstören, aber in jedem dieser Machwerke steckten so ungeheuer viel Zeit und ein solcher Reichtum an Ideen, daß man das nicht übers Herz brachte. Noch ausschlaggebender war vielleicht die Überlegung, daß es sinnvoll sei, die Programme zu Studienzwecken an einem sicheren Ort aufzubewahren. Womöglich tauchte irgendwann wieder ein gewissenloses Genie auf und machte die gleiche Erfindung noch einmal.
    Die Lösung lag nahe. Die Digitaldämonen wurden ins ›Pico-Gewölbe‹ gebracht und dort, hoffentlich für immer, bei ihren chemischen und biologischen Artgenossen eingeschlossen.

37
Operation DAMOKLES
    Poole hatte zu den Konstrukteuren der Waffe, von der jedermann hoffte, sie würde nie zum Einsatz kommen, kaum Kontakt gehabt. Die Operation mit dem ominösen, aber durchaus passenden Namen DAMOKLES war so speziell, daß er direkt nichts dazu beitragen konnte. Und selbst bei den wenigen Begegnungen mit dem Team konnte er sich des Verdachts nicht erwehren, es mit einer fremden Spezies zu tun zu haben. Eine der Schlüsselfiguren war offenbar in einer Irrenanstalt untergebracht – Poole war

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