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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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erstaunt, daß es solche Einrichtungen immer noch gab –, und die Vorsitzende Oconnor machte mehrfach den Vorschlag, mindestens zwei andere Mitglieder der Sonderkommission ebenfalls zwangseinweisen zu lassen.
    »Haben Sie schon einmal vom Enigma-Projekt gehört?« fragte sie Poole nach einer besonders nervenaufreibenden Sitzung.
    Als er den Kopf schüttelte, fuhr sie fort: »Das wundert mich aber – es war nur wenige Jahrzehnte vor Ihrer Geburt: ich bin bei meinen Recherchen für DAMOKLES darauf gestoßen. Die Situation war ähnlich – in einem Ihrer Kriege hatte man unter strengster Geheimhaltung eine Gruppe brillanter Mathematiker zusammengeholt und sie beauftragt, einen feindlichen Code zu knacken … wozu sie, nebenbei bemerkt, einen der ersten, richtigen Computer bauen mußten.
    In diesem Zusammenhang gibt es eine hübsche und hoffentlich wahre Geschichte, die mich lebhaft an unseren Haufen hier erinnert. Eines Tages kam der Premierminister auf Inspektionsbesuch, und hinterher bemerkte er zum Projektleiter von Enigma: ›Ich hatte zwar gesagt, sie sollten jeden Stein umdrehen, um die richtigen Leute zu finden, aber ich hätte nicht erwartet, daß sie das so wörtlich nehmen würden.‹«
    Es war anzunehmen, daß man für Projekt DAMOKLES die richtigen Steine umgedreht hatte. Doch da niemand wußte, ob mit der Katastrophe in Tagen, Wochen oder gar erst in Jahren zu rechnen war, konnte man den Beteiligten anfangs nur schwer begreiflich machen, daß Eile not tat. Probleme bereitete auch die Schweigepflicht; es hatte keinen Sinn, das ganze Sonnensystem in Aufruhr zu versetzen, deshalb waren nicht mehr als fünfzig Personen in das Projekt eingeweiht. Aber diese fünfzig Personen saßen an den Schalthebeln der Macht – sie konnten die erforderlichen Kräfte rekrutieren, und sie allein konnten veranlassen, daß zum ersten Mal seit fünfhundert Jahren das ›Pico-Gewölbe‹ geöffnet wurde.
    Als HALman gemeldet hatte, die Botschaften an den Monolithen häuften sich, gab es kaum noch Zweifel, daß bald etwas geschehen würde. Poole war nicht der einzige, der in diesen Tagen trotz der Anti-Insomnie-Programme des Zerebralhelms nur wenig Schlaf fand. Und wenn er endlich doch eindämmerte, war er nie sicher, ob er auch wieder aufwachen würde. Doch endlich waren alle Elemente zusammengefügt, die Waffe war fertig, eine Waffe, die man weder sehen, noch berühren konnte – und die kein Soldat der Vergangenheit als solche erkannt hätte.
    Sie sah ganz harmlos aus, ein gewöhnliches Terabyte-Speichertäfelchen, wie es tagtäglich für Millionen von Zerebralhelmen Verwendung fand. Auffallend war nur, daß es in einen massiven Kristallblock eingebettet war, über den sich kreuzförmige Metallbänder zogen.
    Poole nahm den Würfel nur zögernd in Empfang. Ob den Kurier, den man einst beauftragt hatte, das Kernstück der Hiroshima-Bombe zum Startgelände im Pazifik zu bringen, wohl ähnliche Gefühle bewegt hatten? Dabei war, falls die Befürchtungen gerechtfertigt waren, seine Verantwortung womöglich noch größer.
    Außerdem war er nicht sicher, auch nur den ersten Teil seiner Mission erfolgreich ausführen zu können. Da man keinem Schaltkreis voll vertrauen konnte, hatte man HALman noch nicht über Projekt DAMOKLES informiert. Das sollte Poole nach seiner Ankunft auf Ganymed übernehmen.
    Er konnte also nur hoffen, daß HALman bereit war, die Rolle des Trojanischen Pferdes zu spielen – und dabei seine eigene Existenz aufs Spiel zu setzen.

38
Präventivschlag
    Es war ein sonderbares Gefühl, nach so vielen Jahren das Hotel Grannymed wieder zu betreten – es wirkte völlig unverändert, trotz allem, was geschehen war. Als Poole die ›Bowman-Suite‹ betrat, empfing ihn immer noch das vertraute Portrait seines Schiffskameraden. Wie erwartet, war auch Bowman/HALman selbst bereits anwesend. Er wirkte noch etwas durchsichtiger als das uralte Hologramm.
    Bevor sie sich begrüßen konnten, gab es eine Unterbrechung, über die sich Poole – zu jeder anderen Zeit – gefreut hätte. Das Bildtelefon trillerte seine drei ansteigenden Töne – auch sie waren seit seinem letzten Besuch die gleichen geblieben – und auf dem Monitor erschien ein vertrautes Gesicht.
    »Frank!« schrie Theodor Khan. »Warum hast du mir nicht gesagt, daß du kommst? Wann können wir uns sehen? Warum kein Video – hast du jemanden bei dir? Und wer waren die Typen mit den Amtsmienen, die mit dir gelandet sind – «
    »Langsam Ted! Ja, bedaure sehr

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