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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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ausgeformten Muscheln, Ranken, Stuckornamente, die monströsen, pastellgetönten Malereien voller Allegorien und Andeutungen, die ein einzelner Mensch überhaupt nicht erfassen konnte, das war einfach zu viel auf einmal. Amadeo empfand beinahe einen Widerwillen, den Fuß über die Schwelle zu setzen. So gewaltig der Raum war, er erschien beinahe eng. Zu diesem Eindruck trugen allerdings auch die übervollen Bücherregale bei, die doppelt mannshoch bis zum Ansatz der Gewölbe reichten, auch sie geschmückt mit Zierrat und strotzend vor Opulenz.
    »Wenn das ein Kuchen war, dann wär's ein Frankfurter Kranz«, hauchte Rebecca. »Irgendwas mit ganz viel Creme und jeder Menge Kalorien.«
    Amadeo nickte stumm. Der Anblick ließ sich kaum besser beschreiben, und Helmbrecht wäre sicher in Verzückungsschreie ausgebrochen. Was der Professor wohl gerade anstellte? Jedenfalls saß er sicher wie auf heißen Kohlen und wartete auf den Isidor. Seitdem er wusste, dass Helmbrecht sich wieder bei Niketas und seinen Männern befand, war Amadeo zumindest in dieser Hinsicht ein wenig beruhigt — wer auch immer dieser Niketas und seine Männer nun waren.
    »Wo ist jetzt hier der Isidor?«, fragte Rebecca. »Das hat Madame Istvana dir nicht verraten, oder? Wie viele Bücher mögen das sein?«
    Amadeo seufzte laut und tief. »Zwanzigtausend? Dreißigtausend? Macht das einen Unterschied?«
    Rebecca trat einige Schritte in den Saal. Inmitten des Raumes waren mehrere Schreibpulte aufgestellt, dazu mächtige hölzerne Globen, die ebenso alt sein mochten wie der Rest der Ausstattung. Ihr Blick wanderte über eine anachronistisch anmutende, menschengroße gotische Schnitzfigur eines Heiligen auf seinem Sockel. Gedankenverloren begann Rebecca sich weitere Nadeln aus ihrem Kopfputz zu zupfen, und binnen kurzem saß das haarige Kunstwerk sichtbar schief.
    »Der Isidor steht irgendwo im obersten Regal«, sagte Rebecca langsam. »Wo man am schwierigsten rankommt.«
    Amadeo furchte die Stirn und legte automatisch den Kopf in den Nacken. »Wie kommst du darauf?«
    »Murphys Gesetz.« Rebecca fummelte noch immer in ihrem Kunsthaar herum. »Eine Scheibe Butterbrot fällt immer auf die Seite mit der Butter.«
    »Das ist doch Unsinn.« Amadeo trat an das vorderste Regal auf der linken Seite. »Was, wenn wir jetzt da oben mit dem Suchen anfangen würden?«
    »Dann wäre der Isidor hier unten.« Sie wies auf das genau gegenüberliegende Regal. »Ist doch logisch.«
    »Dieser Murphy muss eine Frau sein«, murmelte Amadeo.
    »Was hast du gesagt?« Rebecca funkelte ihn an. »Du sprichst so undeutlich.«
    »Nichts«, sagte Amadeo noch undeutlicher. »Gar nichts.«
    »Also, was machen wir jetzt? Wie lange haben wir Zeit, was denkst du?«
    »Was weiß ich«, seufzte Amadeo. »Eine Stunde? Zwei? Bis sie mit der Szene durch sind. Dann wird man uns vermissen, und irgendwann werden sie die Zelte im Kloster abbrechen. Ich möchte morgen früh nicht den Mönchen erklären müssen, was wir die Nacht über hier getrieben haben.«
    »Sie müssen irgendwo ein Verzeichnis haben«, grübelte Rebecca.
    »Vermutlich etwa zur selben Zeit angelegt, als sie sich den Isidor holten und was weiß ich noch alles.« Er drehte sich im Kreis. »Moment!«
    »Was ist?« Rebecca war schon unterwegs zu einer Leiter aus dunklem Holz, die auf der linken Seite an einem der Regale lehnte.
    »Da hinten steht ein Rechner!«, sagte Amadeo überrascht.
    Sie folgte seinem Blick. Von der Tür aus war der Computer hinter den Pulten und Globen quasi unsichtbar.
    Amadeo stürmte durch den Saal. Ein Rechner! Ein Triumph moderner Elektronik in diesem Raum, in dem nichts jünger zu sein schien als zweihundert Jahre. »Er wird irgendwie gesichert sein.« Die ernüchternde Erkenntnis dämmerte ihm, noch ehe er das Computerterminal erreicht hatte.
    »Lass mich das machen!« Rebecca rauschte heran wie ein Schiff unter vollen Segeln mit ihrem mindestens zwei Meter breiten Ungetüm von Rock. Die Haarpracht stand jetzt in spitzem Winkel von ihrem Kopf ab, und sie sah wirklich gefährlich aus.
    Amadeo wich drei Schritte zurück.
    »Vor...«, keuchte Rebecca.
    Der Restaurator stolperte und stieß gegen etwas. Etwas Massives, sehr Großes. Etwas, das nach kurzem Widerstreben nachgab. Er fuhr herum — und sprang im letzten Augenblick beiseite, als er sah, wie die Heiligenfigur ihm entgegensauste.
    Der Lärm war ohrenbetäubend, aber wenigstens war er kurz.
    »... sicht!«, vollendete Rebecca ihre Warnung.
    Neben

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