Die letzte Offenbarung
musste sich nützlich machen.
Also steckte Rebecca jetzt in einem Reifrock voller Spitzen, Tüll und zig Lagen Stoff, und auf ihr hochtoupiertes Kunsthaar hätte Königin Marie Antoinette neidisch werden können. Amadeo dagegen hatte sich unter ihren Händen Schritt für Schritt in Casanovas Wiedergänger verwandelt. Rebecca war mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden, und es war nicht zu übersehen, dass ihr das »Abenteuer« — wie sie sich ausdrückte — einen Riesenspaß machte.
Sie hatte gut reden. Schließlich war sie nicht zugegen gewesen bei Amadeos Gespräch mit... war das wirklich Madame Istvana gewesen? Hatte tatsächlich auf einmal eine andere Frau auf Mafaldas Stuhl gesessen? Unmöglich! Das musste die Droge gewesen sein. Wieder und wieder redete er sich das ein. Dieser merkwürdige Geruch in der Luft. Sein wissenschaftlich geschulter Verstand weigerte sich, eine andere Erklärung zu akzeptieren, in seinem Kopf jedoch war ein Flüstern: Wenn das wirklich nur ein Drogentraum war, warum bist du dir dann so verdammt sicher, dass der Isidor tatsächlich in Strahov liegt?
»Glaubst du eigentlich, Mafalda nimmt uns die ganze Geschichte ab?«, fragte er.
Sie hob die Schultern, was in ihrem Schnürmieder höchst eindrucksvoll aussah. »Ich denke schon. Was sollte sie hindern, wenn sie vom Isidor nichts weiß?«
»Trotzdem bleibt die Sache seltsam«, murmelte Amadeo. »Selbst wenn die Handschrift aus Madame Istvanas Familie stammt: Woher wusste Istvana, dass wir deswegen hier sind?«
»Mach dir doch darum keinen Kopf.« Rebecca tätschelte seine Perücke, und der aufstiebende Puder reizte sie beide zum Husten. »Es gibt«, sie räusperte sich, bis ihre Lunge wieder frei war, »eben Dinge zwischen Himmel und Erde. — Wir suchen hier ein zweitausend Jahre altes Manuskript zusammen«, fuhr sie leiser fort. »Ein Manuskript, das ein Mann geschrieben hat, der mit Jesus Christus im Bett war. Und du machst dir Gedanken wegen so was?«
Das war nicht völlig von der Hand zu weisen. Amadeo wollte antworten, doch im selben Augenblick hörte er Schritte. Auch Rebecca waren sie nicht entgangen. Rasch griff sie noch einmal nach der Puderquaste und legte ein wenig Rouge auf Amadeos Wangen.
Grauenhaft. Der Restaurator beschloss, erst wieder in einen Spiegel zu blicken, wenn dieser ganze Alptraum vorbei war. Das einzig Positive an dieser Kostümierung war, dass ihn im Leben niemand erkennen würde, wenn er tatsächlich in diesem Film auftauchte.
Mafalda blieb vor der Tür stehen, und es blieb ihr nichts anderes übrig, denn mit dem Ungetüm, das sie um den Leib trug, passte sie einfach nicht durch. »Wundervoll«, sagte sie anerkennend. »Besonders abscheulich. Mein Kompliment, Rebecca, das haben Sie fantastisch hinbekommen.
Wenn die New York Times Sie nicht mehr will, besorge ich Ihnen einen Job in der Maske.«
LXIII
»Sehr gut.« Der Regisseur schob seine Baseballkappe ein Stück nach vorn und kratzte sich am Hinterkopf. »Das Licht ist perfekt so.« Genüsslich nahm er einen Zug aus seiner Zigarre und paffte den Qualm in die Luft. Plötzlich legte sich seine Stirn in Falten. »Was ist das für ein Blinken da drüben?« Er wies auf eine Ecke des hohen Gewölbes.
Ein jüngerer Mönch im Weiß der Prämonstratenser sagte mit leiser Stimme etwas zu der Dolmetscherin.
»Das ist der Rauchmelder«, übersetzte die Frau mit einem missbilligenden Blick auf die Zigarre.
»Viel zu empfindlich, das Ding«, brummte der Regisseur. » Stellen Sie irgendwas davor.«
Mafalda lehnte am Regiewagen. In der nächsten Szene sollte die Kamera sie von hinten einfangen, wie sie durch die mit Höflingen vollgestopfte, gewölbte Halle schritt. »Ich glaube nicht, dass die Lampe im Bild ist«, sagte sie leise.
»So what! Mir geht sie auf den Sack!«, raunzte der Mann mit der Baseballkappe. »Wissen Sie eigentlich, was Selznick bei Vom Winde verweht gemacht hat?«
Mafalda stutzte. »Er war der Produzent, oder?«
»Natürlich war er der Produzent.« Er fixierte das Lämpchen wie einen Todfeind. »Jedenfalls nachdem sie Cukor abgesägt hatten. Erinnern Sie sich an die große Ballszene? Ja? Hunderte von Südstaatendamen. Was trugen die wohl für Unterwäsche?«
Amadeo stand an Rebeccas Seite. Eingezwängt zwischen zig anderen Statisten warteten sie auf ihren Einsatz. Das Setting, die Ausstattung: alles faszinierend, das musste er zugeben, nur herrschten unter den voll aufgedrehten Filmleuchten schätzungsweise sechzig Grad.
Unterwäsche?
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