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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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eingesetzt...« Erneut gab er dem Globus einen leichten Stoß und beobachtete, wie er ruhig in seiner Drehung fortfuhr. Er blickte auf und fixierte den anderen. »Dann, Herr Görlitz, ist aufgrund der Erhaltungsneigung die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass diese Westdrift Bestand hat. Dann nämlich ist wieder eine ganze Reihe von Faktoren, ihr exaktes Zusammenspiel und damit ein gewaltiger Aufwand nötig, um sie zu beenden.«
    »Nicht mehr als ein Zucken meines Zeigefingers«, sagte der Mann mit dem gegelten Haar leise und richtete den Lauf seiner Pistole auf den Globus.
    »So dumm sind Sie nicht«, erwiderte der commandante . »Ich bete zu Gott dem Herrn, dass Sie nicht so dumm sind. Wenn Sie jetzt schießen, werden Sie die Bewegung zum Stillstand bringen, richtig. Aber um welchen Preis? Sie zerstören den ganzen Globus. Ist es das wert?«
    Völlig unvermittelt spürte Amadeo, wie es ihm eiskalt den Rücken herunterlief: Was Sie da haben , signorina, kann nur zerstören . Die Worte des Kardinalstaatssekretärs. Es kann nur zweitausend Jahre der Zivilisation zerstören und die Welt in einen Abgrund stürzen .
    Ein Zufall oder... mehr? Der commandante war mit Sicherheit kein Mann des Kardinals, und dennoch: Die Ähnlichkeit der Worte und dessen, was sie aussagten, war unübersehbar. Görlitz' Waffe oder die letzte Offenbarung des Johannes — wie groß war der Unterschied tatsächlich? Die Bewegung, die dieses Manuskript in Gang setzen würde, wohin würde sie führen? Welche Kräfte würden imstande sein, sie zu steuern, jetzt — und erst recht in Zukunft, wenn das Geheimnis publik wurde? Bracciolini und sein Chef mit seinem milden Lächeln? Niketas und seine Männer? Rebeccas commandante mit seinen Kombattanten?
    Sie alle waren gefangen, waren Gefangene einer gigantischen Westdrift, die er, Amadeo, entfesselt hatte. Am erstaunlichsten aber war, dass ausgerechnet die Männer in den Kampfanzügen Rebeccas Verbündete sein sollten. Was hatte sie ihm am Morgen von ihrer Vergangenheit erzählt? Salvador Allende? Die linksgerichteten Rebellen in Südamerika? Planten die nicht einen Umsturz nach dem nächsten? Das passte nicht zu den Worten des commandante . Immer wenn Amadeo glaubte, die Geheimnisse der faszinierenden grünäugigen Frau wenigstens ein Stück weit erfasst zu haben, machte eine neue unvorhersehbare Kapriole alles wieder zunichte.
    Doch wenn er in die Augen des Mannes mit der Gelfrisur blickte, dann konnte dies die letzte Kapriole gewesen sein.
    »Wie es aussieht«, Görlitz bewegte seine Waffe ganz langsam vom Globus weg, bis sie auf den commandante gerichtet war, »haben wir tatsächlich ein Patt. Wie wir beide schon bemerkten, sind Sie uns überlegen, sobald wir dieses Patt auflösen. Doch muss ich nicht auch bedenken«, Amadeo sah, wie sich die Augen seines einstigen Kollegen gefährlich verengten, »dass unsere Chancen nicht besser werden?«
    Er wird schießen, begriff Amadeo. Sein Herz begann zu jagen, und er spannte sich an. Sobald der Schuss sich löste, würde er Rebecca zu Boden reißen und Schutz suchen hinter den Globen, den Trümmern des Heiligen. Es war... pure Verzweiflung, nichts anderes. Auf allen Seiten Verzweiflung.
    »Na also, hier sind Sie!«
    Alle Anwesenden zuckten zusammen, denn niemand hatte mehr auf die große Tür geachtet, durch die Amadeo und Rebecca die Bibliothek betreten hatten. Eine Frau stand im Halbdunkel des Flurs.
    Mafalda.
    »Wir suchen Sie die ganze Zeit!«, sagte die Sängerin mit tadelnder Stimme. »Unser Regisseur will endlich seine Harriet kennenlernen!« Sie wandte sich kurz um. »Ich habe sie!«, rief sie nach hinten.
    Völlig perplex blickte Amadeo zwischen der Tür und Görlitz samt seinen Männern hin und her. Sowohl Bracciolinis Abgesandte als auch der commandante und seine Mitstreiter hatten die Waffen blitzartig gesenkt, doch da hatte Mafalda längst in der Tür gestanden.
    Es war Irrsinn! Wie es aussah, hatte sie nichts bemerkt.
    Das nennt man dann wohl selektive Wahrnehmung, dachte Amadeo.
    »Nun kommen Sie schon!« Ungeduldig winkte Mafalda die angeblichen Journalisten zu sich. Die beiden mehr oder minder martialisch aufgemachten Gruppen beachtete sie nicht, genauso wenig wie die Trümmer der Skulptur, die am Boden verstreut lagen.
    Rebecca löste sich als Erste aus ihrer Erstarrung, griff nach Amadeos Hand und zog ihn einfach mit. Er war viel zu verwirrt, um sich zu widersetzen. Görlitz öffnete den Mund — doch es kam kein Wort heraus. Was

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