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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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chinesischem Seidenpapier. »Dann lass dir mal was einfallen«, murmelte sie.
    »Da muss ich überlegen«, murmelte er zurück.
    »Kein Problem!«, erwiderte der Regisseur. Er musste gute Ohren haben. Erstaunlich genug, so wie er ständig in sein Megaphon brüllte. »Wir müssen den Take jetzt noch mal drehen, aber Harriet ist in dieser Szene nicht dabei. Also, raus aus dem Bild. Wir sprechen nachher, die anderen auf die Plätze!«
    Erleichtert entfernte sich Amadeo rückwärts durch die Menge und zog Rebecca kurzerhand mit. Der Mann mit der Baseballkappe war damit beschäftigt, ein Detail der Ausleuchtung neu zu dirigieren, daher bemerkte er es nicht.
    Mafalda winkte ihnen amüsiert zu. Amadeo nickte mit einem Lächeln. Wenn alles gut ging, würden sie die Sängerin nicht noch einmal zu Gesicht bekommen. Er stieß mit dem Rücken gegen eine Tür, drückte sie auf und schob Rebecca hindurch, dann folgte er selbst.
    »Und Action!«, hörte er noch.
    Leise drückte Amadeo die Tür ins Schloss.
    Entronnen.
LXIV
    »Hier muss es gleich sein«, flüsterte Amadeo. Er war sich ziemlich sicher, dass die Schilder in diese Richtung gewiesen hatten.
    Ziemlich, dachte er, aber nicht vollkommen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie unversehens in eine Sitzung des Klosterkapitels platzten, das sich womöglich in einen abgelegenen Raum zurückgezogen hatte, bis die Heimsuchung aus Hollywood vorüber war.
    Matte Lampen erhellten die Flure, eine Birne alle zwanzig Schritt — nicht eben verschwenderisch, da konnte man den Mönchen von Strahov nichts vorwerfen. Zwischen diesen Inseln aus Licht herrschte ein unbestimmtes Halbdunkel. Schatten von hinten, von vorn, und mehr als einmal hatte Amadeo das Gefühl, dass es mehr und vor allem andere Schatten waren, als ihrer beider Gestalten verursachen konnten. "Wobei Rebecca in ihrem Ungetüm von Reifrock sowieso einen merkwürdigen Umriss warf.
    »Soll ich nicht besser die Taschenlampe einschalten?«, fragte Rebecca leise.
    Amadeo blieb stehen. »Du hast eine Taschenlampe? Ich dachte, du hast alles im Wagen gelassen, als wir zur Villa gegangen sind. Alles Elektrische.«
    »Nicht ganz. Das Handy hab ich noch«, flüsterte sie, »und die Lampe hab ich vorhin dem Techniker geklaut, als er den Rauchmelder abgedeckt hat.«
    Amadeo hatte es längst aufgegeben, sich über ihre kriminelle Energie zu wundern. Das musste mit ihrem Job zusammenhängen, worin auch immer der normalerweise bestand.
    »Lass das mal lieber mit der Lampe«, sagte er leise. »Wenn wir jetzt jemandem über den Weg laufen, können wir uns noch irgendwie rausreden.«
    Rebecca nickte. »Also?«
    Sie hatten eine hohe, aber schlichte Holztür erreicht. Nichts deutete darauf hin, was sich auf der anderen Seite befinden mochte.
    »Wenn das die Bibliothek ist, stehen wir jedenfalls nicht vor dem Haupteingang«, sprach Rebecca Amadeos Gedanken laut aus.
    Er kratzte sich das Kinn. »Da hilft nur ausprobieren.«
    Vorsichtig legte er die Hand auf die Klinke und drückte sie runter. Abgeschlossen.
    »Moment.« Rebecca schob ihn beiseite und fummelte einen Augenblick in dem Turm aus Kunsthaar herum, der sie ein bisschen aussehen ließ wie Marge Simpson. Nur attraktiver und nicht so gelb. Im Grunde hatte sie überhaupt keine Ähnlichkeit... Rebecca ging in die Knie und machte sich am Schloss zu schaffen. Zwei Sekunden später drückte sie die Klinke, und die Tür öffnete sich.
    »Wie hast du das gemacht?« Erstaunt sah er sie an. »So schnell?«
    »Ich hatte in meinem Leben noch nicht so viele Haarnadeln auf dem Kopf«, flüsterte sie zurück.
    Der Raum auf der anderen Seite war stockdunkel, doch der Geruch war unverkennbar.
    »Ich glaube, wir sind hier richtig«, sagte Amadeo mit verhaltener Stimme. »Ist da vielleicht irgendwo ein Lichtschalter?«
    Rebecca tastete um die Ecke. »Mehrere.«
    Im nächsten Moment kniff Amadeo die Augen zusammen und unterdrückte ein Keuchen. Grelles Licht. Nein. Es war nur die Überraschung gewesen nach dem Zwielicht der Flure, so hell war es in Wahrheit gar nicht. Doch was sie sahen...
    »Wow!«, murmelte Rebecca. »Oxford war ja schon gewaltig, aber das hier...«
    Amadeo schluckte. Sie standen am Kopfende eines langgestreckten, gewölbten Saales, einem Traum — oder, je nach künstlerischem Geschmack, einem Alptraum — von Rokoko. Der höchste Punkt des Gewölbes befand sich sicherlich fünf oder sechs Meter über dem Parkettboden, doch die verschwenderisch wuchernden Schmuckformen, die plastisch

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