Die letzte Offenbarung
»Zur Autobahn geht es da lang.«
»Wenn sie uns abfangen wollen, dann an der Autobahn«, knurrte sie, die Augen mehr im Rückspiegel als auf der Straße. Noch immer strömten Studenten und Touristen zur Radcliffe Camera . Wahrscheinlich wussten die meisten von ihnen nicht einmal, was passiert war — nur dass irgendetwas passiert war, was in Oxford nicht alltäglich geschah.
Rebecca brachte den Toyota sicher aus der Innenstadt. Dann hämmerte sie mit dem Handballen gegen den CD-Spieler, und im nächsten Augenblick glomm der Bildschirm eines Navigationsgerätes auf. Amadeo hatte es noch gar nicht bemerkt.
Die junge Frau tippte ohne hinzusehen rasch hintereinander auf mehrere Schaltflächen, schließlich kam Oxford ins Bild. »Abingdon«, murmelte sie und ordnete sich gleichzeitig nach Süden ein. »Eine Dreiviertelstunde über Land. Wir nehmen die M4.«
Zehn Minuten später hatten sie Oxford und seinen Nachbarort hinter sich gelassen. Die Route, der sie folgten, war zur Schnellstraße ausgebaut. Zwischendurch kramte Rebecca ihr Handy heraus und wechselte ein paar rasche spanische Sätze mit ihrem Kontaktmann. »Er meldet sich«, sagte sie zu Amadeo. Das war alles.
Einige Kilometer hinter Abingdon nahm sie eine Ausfahrt, bog ein paar Mal ab und hielt dann an einem Waldstück. »Wie geht es Ihnen?«, fragte sie.
»Ging schon besser«, murmelte Amadeo. »Mir ist übel.«
»Lassen Sie mal sehen.« Sie ließ die Hände unter sein Sakko gleiten und drückte auf seinen Brustkorb. Der erste Versuch tat weh, beim zweiten spürte er, wie die Ohnmacht nach ihm griff. Er keuchte.
»Die Rippe ist gebrochen«, murmelte sie. »Die darüber auch, denke ich. Tut das hier weh?« Sie drückte die Fingerspitzen in seinen Bauch, knapp unterhalb des Rippenbogens.
»Ja«, brummte er. »Aber es ist zu ertragen.«
»Wahrscheinlich haben Sie keine inneren Verletzungen.«
»Dann sollte ich wahrscheinlich beruhigt sein«, brummte er.
Rebecca stieg aus dem Wagen, öffnete den Kofferraum und kam mit einem kleinen Lederkoffer zurück. »Ich gebe Ihnen was gegen die Schmerzen, das möbelt gleichzeitig den Kreislauf auf. Krempeln Sie den Ärmel hoch!«
Sie hatte den Koffer bereits geöffnet. Amadeo starrte auf eine Auswahl von Spritzen und Kanülen, eine Blutdruckmanschette, Stethoskop und zahllose andere Dinge.
»Sind Sie Ärztin?«, fragte er verblüfft.
»Nein. Machen Sie eine Faust!«
Amadeo gehorchte. Im nächsten Augenblick spürte er einen leichten Stich in der Armbeuge und dann das dumpfe Brennen, mit dem Rebecca das Schmerzmittel in seine Venen pumpte.
»Jetzt locker lassen. In ein paar Minuten ist es besser«, murmelte sie, während sie eine zweite Spritze aufzog.
»Noch eine?«
»Die ist für mich«, erwiderte sie, schob den Ärmel ihrer Kostümjacke hoch und verabreichte sich selbst eine Injektion in den linken Arm.
Amadeos Übelkeit verstärkte sich, als er das halb geronnene Blut sah, das den Arm vom Ellenbogen fast bis zum Handgelenk bedeckte.
Rebecca stieg wieder aus und begann ihr Kostüm auszuziehen, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt. Das war es auch, denn so war sie kaum noch vorzeigbar. Er nebenbei auch nicht. Sein neuer Anzug sah aus wie aus der Kleiderspende.
»Los, ziehen Sie sich auch um!«, rief sie. »Ihr Sakko ist besser in Form als das da.«
Er begann auf dem Rücksitz nach seinem Sakko zu kramen. Die Schmerzen wurden bereits besser und machten einem dumpfen Druck Platz. Erst jetzt merkte er, dass er kaum noch fähig gewesen war zu atmen.
Während er sich umzog, bemühte er sich, nicht allzu offensichtlich auf die halbnackte Rebecca zu starren, was ihm aber nur mit mäßigem Erfolg gelang.
»Helfen Sie mir mal!« Das war keine Einladung, sondern ein Befehl. In der Hand hielt Rebecca eine aufgewickelte Mullbinde und streckte den Arm aus. »Na los.« Sie presste ein Mullpäckchen auf die Wunde, bis er ihr die ersten Lagen der Binde um den Arm geschlungen hatte.
»Ist das zu fest?«, fragte er vorsichtig.
»Fester! Ich mecker schon, wenn's mir nicht gefällt!«
Amadeo schluckte. Bildete er sich die Zweideutigkeit nur ein? Schließlich war er fertig und fixierte den Verband.
Rebecca beugte und streckte den Arm probehalber und grunzte zufrieden, ehe sie in Richtung Kofferraum verschwand. Mehr denn je glich sie einer keltischen Kriegerkönigin, und dieser Eindruck verstärkte sich noch, als sie, nun wieder in Cargohosen und Dockers, mit mehreren Gegenständen
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