Die letzte Offenbarung
entschlüsselt hat, wussten Sie das?«
Sie achtete kaum auf ihn, sondern sagte etwas auf Spanisch, dann wandte sie sich wieder an Amadeo: »Wir sind gleich da.«
Automatisch wurden sie langsamer, und der Korridor, dem sie gefolgt waren, mündete in eine T-Kreuzung. Der neue Gang war breiter als die vorherigen, und Amadeo fragte sich, ob man nicht auch viel einfacher hierher hätte gelangen können, direkt von der Besucherebene des Museums aus. Auf jeden Fall hatte Rebeccas unsichtbarer Führer ihnen einen Weg gezeigt, auf dem ihnen niemand unliebsame Fragen gestellt hatte.
Rebecca wandte sich nach links. »Dort hinten ist es, ganz am Ende.«
Amadeo blickte in die gewiesene Richtung. Eine Metalltür, genau wie alle anderen Türen hier unten auch. Er mochte sich gar nicht vorstellen, was das Museum an Brandschutzversicherung bezahlte. Doch diese Tür stand einen Spalt offen, und schon das war seltsam.
Noch seltsamer aber waren die Geräusche, laute Stimmen, die hinaus auf den Gang drangen.
Auch Rebecca hatte sie gehört, blieb unvermittelt stehen und drückte ihre Hand gegen seine Brust. Ein Zeichen, zurückzubleiben. Amadeo unterdrückte ein Keuchen, denn mit tödlicher Präzision hatte sie exakt seine angebrochene Rippe erwischt. Sie bemerkte es nicht, sondern huschte weiter voran. Er sah, wie sie ihre Jacke öffnete, um rascheren Zugriff zu ihrer Waffe zu haben. Amadeo zögerte. Er wollte sich nicht vorstellen, was passierte, wenn er das Mordinstrument, das unter seinem Sakko gegen die Rippen drückte — zum Glück auf der unverletzten Seite —, hier im Korridor abfeuerte.
Es stimmte: Er hatte einen Waffenschein. Das war eines der Dinge, die sein Vater von ihm erwartet hatte, obwohl schon vor zwanzig Jahren die Zeiten längst vorbei gewesen waren, in denen Wölfe oder Banditen die Dörfer am Rande der Abruzzen heimsuchten. Seit damals hatte er keine Waffe mehr in der Hand gehabt. Doch vielleicht konnte er Rebecca wenigstens den Rücken decken, falls die Dinge tatsächlich eskalierten.
Amadeo blickte sich um — und erstarrte.
Er konnte sich nicht erklären, woher die beiden Männer gekommen waren. Immer wieder hatte er sich umgesehen, während er Rebecca und ihrem unsichtbaren Führer durch das Labyrinth der Gänge gefolgt war. Niemand war hinter ihnen gewesen. Auch als sie an die Einmündung gestoßen waren, war der Gang zur Rechten wie zur Linken leer gewesen.
Dennoch standen die beiden nun dort, genau in dieser Einmündung. Wortlos, reglos, die Arme vor der Brust verschränkt, betrachteten sie Amadeo unverwandt.
Ihre Anzüge waren schwarz, klassisch geschnitten. Die Schuhe sahen teuer aus.
An ihren Händen leuchteten die Ringe mit den roten Steinen.
Amadeo wollte etwas sagen und Rebecca warnen, doch er bekam keinen Ton heraus.
»Und ich sage Ihnen, nein!«, hörte er eine laute Stimme. »God's sake , nein!«
Dann ein lauter Knall. Amadeo fuhr herum, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Rebecca mit einer blitzartigen Bewegung ihre Waffe zog, spannte und mit einem Tritt ihrer Dockers die Metalltür aufstieß.
»Hände zur Seite!«, fauchte sie. »Nicht bewegen!« Sie hielt die Waffe mit beiden Händen ausgestreckt und richtete sie in den Raum, nach links, nach rechts.
»Goodness!« Dieselbe Stimme, die eben noch laut geschimpft hatte.
Amadeo spürte, wie seine Stimme zurückkehrte. »Rebecca!« Es war kaum mehr als ein Keuchen.
Sie sah über die Schulter: »Was ist?«
Er drehte sich um und deutete zur Kreuzung.
Die beiden Männer waren fort. Als hätte sich die Erde aufgetan.
Stolpernd eilte Amadeo an die Einmündung. Dort hinten waren sie. Hastig entfernten sie sich, folgten dem Gang, den Rebecca und er gekommen waren.
»Warten Sie!«, rief er automatisch.
Die beiden Männer drehten sich nicht um. Im selben Augenblick fragte er sich, ob er den Verstand verloren hatte. Ach, willst du sie zurückholen, damit sie euch doch noch umlegen können? Noch zwei mehr von der Sorte?
»Amadeo?«
Rebecca stand in der offenen Tür und winkte ihn zu sich. Von ihrer Anspannung war nichts mehr zu sehen. »Bitte kommen Sie her, ich möchte Sie jemandem vorstellen.«
Er gehorchte, doch seine Beine fühlten sich an wie ausgeleiertes Gummi. Als er die Tür erreichte, war bereits ein älterer Herr im Maßanzug an ihre Seite getreten. Der Anzug war anthrazitfarben, nicht schwarz, wie Amadeo erleichtert feststellte, und an der sorgfältig manikürten Hand, die der Mann ihm entgegenstreckte, saß kein
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