Die letzte Offenbarung
Becher Kaffee mitbringen?«
XLII
Englischer Kaffee.
Noch anderthalb Stunden später, als sie sich zu ihrem Motelzimmer schleppten — einen Steinwurf vom Zubringer zur M20 vor den Toren Londons entfernt —, hatte Amadeo den widerwärtigen Geschmack im Mund. Irgendetwas musste ihnen Simmons in diese Brühe geschüttet haben. Mit echtem Kaffee hatte das Zeug jedenfalls nur die Farbe gemein gehabt.
Amadeo fühlte sich wie durchgekaut, dreimal links, dreimal rechts, und wieder ausgespuckt. Rund um seinen Brustkorb musste das Mundwerk des unsichtbaren Riesen besonders herzhaft zugebissen haben. Halb besinnungslos ließ er sich auf ein abgewetztes Sofa fallen, über dem eine mittelmäßige Reproduktion eines mittelmäßigen Gemäldes der Tower Bridge angebracht war. Die Federn des Sofas drückten sich fast bis zum Boden durch.
»Schon schlapp?«, fragte Rebecca und hob eine Augenbraue. »Der Abend fängt gerade erst an.«
Der Laut, den er hervorbrachte, brauchte keine Worte.
»Lassen Sie uns mal die Beute sichten«, meinte sie aufmunternd und ließ sich neben ihm nieder.
Seufzend griff er in die Innentasche seiner angeblich walisischen Montur. Die Papyrusstreifen hatte er so gut wie möglich in einem DIN-A 4 -Blatt aus Simmons' Büro verpackt — irgendwelche Anweisungen für den Fall eines Wassereinbruchs im British Museum. Da das Themseufer zwei Stadtviertel entfernt lag, würde der Wissenschaftler sie wohl kaum vermissen.
Der Augustinus war in Anbetracht seines Alters in einem hervorragenden Zustand gewesen. Das größte Problem hatte tatsächlich der jahrhundertealte Schließmechanismus dargestellt. Amadeo hatte nicht genau erkennen können, wie Rebecca es gemacht hatte, aber die Papyri hatten sich ohne Schwierigkeiten aus dem Einband lösen lassen.
Jetzt breitete er sie untereinander auf dem billigen Resopaltisch aus, überflog den Text und begann dann zu übersetzen:
Die letzte Offenbarung
Es geschah aber, dass wir in Kapernaum lagerten, und es kamen Boten zu Jesus. Und er ging ein Stück fort von uns, von den Zwölfen, die bei ihm waren, auf dass nur er allein ihren Worten lauschte .
Als er zu uns zurückkehrte, erkannten wir, dass er betrübt war, und ich fragte ihn: »Rabbi, was ist dir?« Er aber sprach: »Lazarus ist krank, mein Freund, den ich liebhabe.« Und ich sah, wie welche von den Zwölfen sich regten, als er diesen Namen sprach, und ein finsterer Ausdruck trat auf des Simon Petrus' Gesicht .
Mir aber war jener Name unbekannt, und es verwunderte mich, dass niemals die Rede auf ihn gekommen war unter den Jüngern, da doch viele von den Zwölfen ihn zu kennen schienen. Und so, als ich in der Nacht an Jesu Schulter ruhte, fragte ich ihn, wer Lazarus sei und wenn er doch sein Freund sei, den er liebhabe, warum er nicht zu ihm eilte, um ihn zu heilen. Denn ich hatte ihn Blinde heilen sehen und Lahme und welche, die von Dämonen heimgesucht wurden. Hatte ihm nicht sein Vater jene Macht verliehen? So war ich mir gewiss, dass er auch jenen Lazarus heilen konnte .
Jesus aber berichtete mir von Lazarus und seinen Schwestern. Dass sie zu Magdala gewohnt hätten in Galiläa, nicht fern von Nazareth, und dass Lazarus für ihn gewesen sei, was er selbst für mich geworden war .
Da aber verstand ich, was die Miene des Petrus verfinstert hatte, als er den Namen Lazarus vernahm. Petrus nämlich behagte es nicht, dass wir taten, wie die Griechen tun, denn das sei wider das Gebot des Mose. Jesus aber hatte zu ihm gesprochen, wie er zu den Pharisäern gesprochen hatte, als sie ihn verfolgten, nachdem er am Sabbat einen Lahmen geheilt hatte am Teiche Betesda:
»Wenn ihr selbst den Menschen am Sabbat beschneidet, was zürnt ihr dann mir, der ich am Sabbat den Menschen gesundgemacht habe?« Hatte nicht auch Petrus ein Weib, das er innig liebte, und war der Menschensohn nicht in die Welt gekommen und hatte gesprochen: Bleibt in meiner Liebe!
»Wenn ihr bei dem bleibt, was ich euch gesagt habe«, sprach Jesus, »dann seid ihr wahrhaftig meine Jünger. Und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.«
Und Petrus hatte ihn nicht verlassen .
»Petrus war verheiratet?« Rebecca starrte auf die Papyri.
Amadeo hatte sie auf dem Tisch untereinander angeordnet, kaum dass sie das Motelzimmer vor den Toren Londons betreten hatten. In dem mittelgroßen Vorort, zehn Minuten vom Zubringer auf die M20 in Richtung Dover, war es ein unauffälliges Quartier.
»Das ist allerdings eine
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