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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Offenbarung«, murmelte sie.
    »Das ist alles andere als eine Offenbarung«, brummte Amadeo. »Im Markusevangelium, Kapitel eins, heilt Jesus die Schwiegermutter des Petrus, und im ersten Korintherbrief pocht Paulus darauf, dass er das Recht auf eine Ehefrau habe, weil Petrus und andere Apostel ebenfalls verheiratet seien.«
    »Paulus auch?« Die grünen Augen flackerten.
    »Nein.« Amadeo wandte sich schon wieder dem Manuskript zu. »Er meint eben, er dürfte, wenn er wollte. Doch daran hatte er wohl kein Interesse. Paulus ist ja berühmt-berüchtigt für seine Äußerungen über Frauen. Er konnte wohl nicht besonders viel mit ihnen anfangen.«
    »Nicht nur er, wenn ich das hier richtig verstanden habe«, murmelte sie und deutete auf die Handschrift.
    »Ich glaube...« Amadeo strich über die Papyri. »Ich fürchte, das haben Sie. Doch es geht ja noch weiter.«
    Wenn er Lazarus aber liebte, fragte ich ihn, warum eilte er dann nicht an sein Krankenlager? Da zog ein Schatten über Jesu Gesicht, und er berichtete mir, dass Lazarus und seine Schwestern nunmehr in Bethanien lebten, vor den Toren von Jerusalem. Und ich musste daran denken, was er mir gesagt hatte, dass sie darauf sannen, ihn zu verderben. Denn ich wusste, dass die Macht der Pharisäer groß war in Jerusalem .
    Zwei Tage später aber trat er vor die Jünger hin und sprach: »Lasst uns wieder nach Judäa gehen.« Sie aber widersprachen ihm und mahnten: »Rabbi, haben sie nicht gedroht, dich zu steinigen, wenn du nach Judäa zurückkehrst? Und nun willst du wieder dorthin gehen?«
    Er aber ließ sich nicht bereden, sondern sagte ihnen frei heraus: »Lazarus ist gestorben. Doch euretwegen bin ich froh, dass ich nicht da gewesen bin, auf dass ihr sehen mögt und an mich glaubt.«
    Da sah ich, wie die Gefühle miteinander rangen auf der Miene des Petrus. Lazarus, der Versucher, war gestorben, aber Petrus kannte auch die Macht, die Jesus innewohnte nach dem Willen seines Vaters. Wenn nun aber Lazarus zurückkehrte und Jesus ihm von neuem gegenüberstände vor den Toren von Jerusalem, musste dann nicht offenbar werden, was Petrus fürchtete? Denn er wusste, dass die Pharisäer vom Tun der Griechen dachten, wie er selbst es tat .
    »Das war es?« Rebecca sah ihn fragend an.
    Amadeo massierte seine Schläfen. »Für diesmal, ja. Allerdings reicht es auch«, murmelte er.
    Sie beugte sich über die Papyri und kam ihm dabei so nah, dass er die Wärme ihres Körpers spüren konnte. Wieder fing er etwas von ihrem Duft ein, herber als am Abend in St. Gallen — doch das war auch kein Wunder nach diesem Tag.
    »Möchten Sie zuerst unter die Dusche?«, fragte sie unvermittelt.
    Amadeo erstarrte. Gedanken lesen konnte sie auch noch? Was kam als Nächstes?
    »Nein«, murmelte er. »Machen Sie nur. Ich muss... nachdenken. Und ich werde schon einmal das Vitriol auftragen.«
    »Tun Sie das.« Sie wandte sich zur Tür, hinter der sich die kleine Nasszelle verbarg, die zu ihrem Zimmer gehörte.
    Amadeo öffnete seinen billigen Reisekoffer und holte die Ledermappe hervor. Was er an Eisenduophosphat besaß, würde noch für drei oder vier Anwendungen reichen, danach mussten sie sich um Nachschub kümmern. Mochte der liebe Gott wissen, wo sie sich dann befinden würden auf dieser merkwürdigen Reise.
    Es war zu viel. Amadeo schloss für einen Moment die Augen. Es war einfach zu viel. Drei Tage. Vor drei Tagen hatte es begonnen. Er fragte sich, wie lange er das noch durchhalten würde, jetzt, da sie zu begreifen begannen, was es mit der letzten Offenbarung auf sich hatte.
    Wenn sie das erfuhren. Wenn sie das auch nur ahnten! Er öffnete die Augen und betrachtete die ausgeblichenen Fragmente. Das konnte das Ende der römisch-katholischen Kirche sein. Sie können uns nicht am Leben lassen, dachte er.
    Wenn er sich nun die Texte aus dem Hortulus , aus dem Seneca, dem Vergil ins Gedächtnis rief: Die Andeutungen waren von Anfang an da gewesen. Sie haben ihn nicht geliebt, wie ich ihn geliebt habe . Hätte Johannes deutlicher werden können?
    Amadeo fühlte sich schrecklich müde. Müder als es selbst aus einem Tag zu erklären war, wie sie ihn hinter sich hatten. Durch die geschlossene Tür hörte er, wie Rebecca die Dusche aufdrehte. Vielleicht würde auch ihm das helfen.
    Er hatte nicht einmal die Kraft, sich vorzustellen, wie sie in diesem Augenblick unter der Brause stand und das heiße, fast kochende Wasser über ihre weiße Haut rann. Aus irgendeinem Grund wusste er, dass sie den

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