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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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ihm.
    Der Beifahrer hatte sich gefangen und stand taumelnd aufrecht. Blut rann aus seinem Mundwinkel, aus seinem Mund. Er hob seine Waffe.
    Ein Knall, direkt über Amadeo. Der Mann stand reglos da. Dann erst bemerkte Amadeo das kreisrunde Loch mitten in seiner Stirn. Noch immer stand der Mann, und dann, ganz langsam, kippte er nach hinten weg.
    »In den Wagen!«, schrie Rebecca.
    Von einem Nebel aus Schmerz umgeben, zog sich Amadeo an der Tür empor und stützte sich schwer auf den Wagen. Er konnte nicht denken. Der Toyota schien eine ganze Welt entfernt.
    »In den BMW!«, befahl Rebecca und schob ihn nach vorn zum Beifahrersitz.
    Sein Fuß stieß gegen den Leib des Toten, doch die junge Frau eilte bereits um den Wagen herum und glitt auf den Fahrersitz. Der Schlüssel steckte. Hastig drehte sie ihn herum. Der Motor heulte auf, im selben Augenblick, in dem ein rotes Licht, ein stummer Alarm im Fenster der Tankstelle, erwachte. Amadeo fiel in den Sitz, fast ohne Besinnung.
    Er zog die Tür noch selbst heran und spürte, wie der Wagen anruckte.
    »Sie müssen mir da mal was erklären«, hörte er seine Stimme noch, weit fort.
    Dann kam die Dunkelheit.

Köln, 5. September
XLIV
    Amadeo schlug die Augen auf. Da war ein verwaschener weißer Umriss auf schwarzem Untergrund. Ein Umriss, der sich bewegte.
    »Nicht zu hastig, junger Mann«, sagte eine sanfte Frauenstimme. »Sonst wird Ihnen wieder übel.«
    »Was?« Er versuchte sich aufzurichten. »Wo...?«
    Schwindel und Übelkeit kamen wie beschworen. Die Frau hatte ihn gewarnt.
    Amadeo schloss die Augen, atmete tief ein und wieder aus. Drei, vier Mal. Sein Kopf und sein Magen beruhigten sich, unwillig und widerstrebend, aber sie beruhigten sich.
    »Wo bin ich?«, flüsterte er.
    Er lag in einem weichen Bett. Undeutlich erkannte er eine Ahnung von Dämmerlicht, das durch halbgeschlossene Jalousien fiel, und von ferne drangen Verkehrsgeräusche an sein Ohr. Es roch vage medizinisch, doch da war noch etwas anderes. Ein Geruch, den er kannte, im Augenblick allerdings nicht einordnen konnte.
    Die Frau hatte deutsch mit ihm gesprochen. Sie sprach einen starken Dialekt, so dass er genau hinhören musste, um die Worte zu verstehen, doch er war sich ziemlich sicher, dass Deutsch ihre Muttersprache war.
    »Ich bin in Deutschland?«, fragte er.
    Wie ein Sturzbach kamen die Erinnerungen. Die Tankstelle. Die Männer, zu denen er hatte in den Wagen steigen wollen. Sie hatten keine dunklen Anzüge getragen. Der Schusswechsel. Rebecca.
    »Rebecca!«
    »Frau Steinmann schläft noch. Sie ist erschöpft und braucht jetzt Ruhe. Sie beide befinden sich in Köln, bei den Schwestern der Liebe Gottes von Merida.«
    Amadeo blinzelte heftig und sah in das freundliche Gesicht einer Nonne mittleren Alters. Das also war der seltsam vertraute Geruch: Weihrauch.
    Er zuckte zurück. Er war in ihrer Hand.
    »Ihnen wird wieder übel werden«, prophezeite die Nonne. »Aber Sie haben keine Schmerzen, nicht wahr?«
    Überrascht hielt Amadeo inne. Sie sprach die Wahrheit.
Seine Rippe... Er hatte sich zwischen die Zapfsäulen geworfen und war auf die gebrochene Rippe gestürzt. Dabei musste er sich neue Verletzungen zugezogen haben, grundlos wurde man nicht ohnmächtig. Dennoch verspürte er keine Schmerzen.
    »Wissen Sie, wir machen so was nur selten«, sagte sie und senkte verschwörerisch die Stimme. »Frau Steinmann meinte, ein Arzt würde Sie ins Krankenhaus einweisen, und das würden Sie nicht wollen. Zum Glück haben wir immer einige Reserven aus der Hospizarbeit.«
    Maledetto , was hatte die Frau ihm verpasst? Morphium? Er wusste nicht, wie sich das anfühlen musste, und eigentlich fühlte er sich nicht übel. Nun, abgesehen davon, dass ihm eben übel war.
    »Warum sind wir... in Köln?« Auf einmal verspürte er das dringende Bedürfnis zu schlafen, offenbar eine Wirkung des Medikaments.
    »Das müssen Sie Frau Steinmann fragen«, erwiderte die Schwester freundlich. »Sobald Sie beide aufwachen.«
XLV
    Das geschah drei Stunden später, als die Septembersonne schon hoch über der Domstadt stand.
    Amadeo stellte fest, dass ein Ring fester Bandagen seinen Brustkorb umschloss, und er kam sich vor wie in einem Stützkorsett. Letztendlich war es wohl auch ein Stützkorsett. Er hatte Schwierigkeiten mit dem Atmen, doch dafür hielten sich die Schmerzen in Grenzen, auch jetzt, da das Mittel der Nonnen am Abklingen war.
    Er war allein in seinem Zimmer. Es war ein schlichter, jedoch nicht ungemütlicher Raum.

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