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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Eine farbenfroh gestickte Heiligenszene hing über dem Bett, die dem Stil nach aus Südamerika stammen musste. Neben der Tür gab es ein Schwarz-Weiß-Foto von papa Pio, gegenüber die Reproduktion einer schlichten Madonnendarstellung. Die Muttergottes blickte freundlich, voller Geduld. Vor dem Fenster stand ein kleiner Tisch mit zwei schon ein wenig abgewetzten Sesseln.
    Der Restaurator erhob sich vorsichtig und prüfte, ob er stehen konnte. Es funktionierte. Der helle Stoffvorhang vor dem Fenster bewegte sich sachte in der Septemberbrise, und als Amadeo ihn beiseitezog, entdeckte er, dass sich dort eine Glastür verbarg, die auf einen Balkon hinausging.
    Der Balkon war nicht leer. Amadeo sah zwei Liegestühle, und auf einem davon saß Rebecca, eine Wolldecke über den Knien. Er konnte nicht erkennen, ob sie schlief oder den Blick über die Dächer von Köln schweifen ließ. Ein Stück entfernt stieg die Pracht der gotischen Domtürme wie ein Gebirge aus dem Häusermeer.
    Rebeccas Hand strich die Decke glatt. Sie war also wach.
    »Es hat irgendwie etwas Beruhigendes«, sagte sie unvermittelt. »Die ganze Welt verändert sich, jeden Tag aufs Neue, doch diese Kirche steht seit vielen hundert Jahren dort. Das hat irgendwie etwas Tröstliches, finden Sie nicht auch?«
    »Haben Sie Augen im Hinterkopf?«
    Rebecca schaute sich lächelnd zu ihm um: »Ich habe den Luftzug gespürt.« Sie wirkte noch immer müde. Und blass. Ein weißer Verband über der linken Schulter lugte aus dem Ausschnitt ihrer dunklen Bluse.
    »Sie wurden getroffen?«, fragte er besorgt.
    »Nur ein Streifschuss«, murmelte sie. »Der jüngere von den beiden, glaube ich. Hätten Sie den anderen nicht mit der Tür erwischt, säße ich jetzt nicht hier. Sie haben mir das Leben gerettet, zum zweiten Mal.«
    Amadeo schüttelte abwehrend die Hände. »Vor allem haben Sie mir das Leben gerettet. Wenn Sie nicht gekommen wären, ich wäre glatt in diesen Wagen gestiegen.« Er musterte sie aufmerksam. »Sie haben Ihre eigenen Leute getötet.«
    Die grünen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Meine eigenen Leute?«
    Amadeo holte Luft: »Pontificia Commissione per lo stato della Città del Vaticano.«
    Ihr Mundwinkel zuckte.
    »Streiten Sie ab, dass Sie für den Vatikan arbeiten?«, fragte er scharf. Jetzt meldete seine Rippe sich wieder, doch gleichzeitig kam das schlechte Gewissen. Rebecca war verletzt, und er hatte nicht das Recht... Doch. Doch, er hatte das Recht. Trotzdem tat es ihm leid, dass er in diesem Ton mit ihr gesprochen hatte.
    »Bitte setzen Sie sich hin«, sagte sie. »Es tut weh, wenn ich den Kopf so drehen muss.«
    Dass sie ihre Schwäche eingestand, machte es noch schlimmer. Er gehorchte sofort und stellte fest, dass die Liegestühle unbequemer waren, als sie aussahen — jedenfalls, wenn man eingewickelt war wie Tut-Ench-Amun.
    Rebecca sah ihm fest in die Augen: »Ich arbeite nicht für den Vatikan. Sagen Sie mir, dass ich lüge!«
    Es erschien widersinnig, aber ihm fiel es schwer, diesem Blick standzuhalten. Wieder einmal stellte er fest, was für eine wunderschöne Frau sie war. Und sie sprach die Wahrheit, jedenfalls in diesem Augenblick. Er senkte nur stumm den Kopf.
    »Ich darf Ihnen nicht sagen, für wen ich arbeite«, fuhr sie fort. »Aber ich gebe Ihnen mein Wort, dass es nicht der Vatikan ist.«
    »Und die beiden Männer, die Sie«, er schluckte, »erschossen haben? Die kamen vom Vatikan?«
    Rebecca zögerte, dann nickte sie. »Ich gehe davon aus.«
    »Warum? Sie trugen nicht einmal dunkle Anzüge! Wie sind Sie darauf gekommen?«
    Sie strich die Decke über ihren Knien zurecht. Es war kühl in Köln, jedenfalls hier oben. Sie befanden sich im vierten oder fünften Stock eines älteren Gebäudes, unter ihnen floss — besser stockte — der Verkehr auf einer belebten Straße.
    »Geschossen haben sie zuerst«, sagte Rebecca. »Auf die Überwachungskamera, dann auf den Mann im Verkaufsraum, erst da wusste ich es mit Bestimmtheit. Gut, im Grunde war ich mir sicher, sobald ich den Wagen sah.«
    »Den Wagen?«
    Sie sah ihn an. »Der BMW ist ein Erbe von Benedetto. Seit dem Pontifikat des Deutschen fahren sie bayerische Wagen.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst!«
    Sie hob die Hände ein Stück an. »Sie müssen es nicht glauben, aber das ist alles, was ich Ihnen sagen kann, den Rest wissen Sie selbst. Cui bono.«
    »Das hab ich irgendwo schon mal gehört«, murmelte er. »Nur warum war dann ein Citroën hinter uns her und ein Peugeot und

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