Die letzte Offenbarung
ein — was weiß ich — Austin.«
»Eben das hat mich auch gewundert«, entgegnete Rebecca. »Und ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil es ihnen zu auffällig schien mit dem BMW.«
»Die beiden an der Tankstelle trugen auch keine Anzüge«, überlegte Amadeo. »Vielleicht waren sie nicht im Dienst, vielleicht war es wirklich ein Zufall, dass ich ihnen in die Arme gelaufen bin.«
»Alles möglich«, stimmte Rebecca zu. »Oder sie haben uns vom Wagen aus beschattet.« Sie klang alles andere als überzeugt.
Amadeo wartete, ob sie noch etwas sagen würde, doch wenn sie irgendwelche Vermutungen hegte, so hatte sie beschlossen, diese für sich zu behalten.
Er holte Luft. »Aber vielleicht können Sie«, er suchte nach Worten, »mir jetzt wenigstens sagen, warum Sie mir helfen?«
»Das habe ich Ihnen schon gesagt, oder noch nicht? Ich möchte, dass das Johannes-Manuskript gefunden wird. Das vollständige Manuskript.«
Er wusste selbst nicht mehr, ob sie das nun schon einmal gesagt hatte, aber eigentlich war das auch klar. »Warum sind wir in diesem... ist es ein Kloster?«
»Etwas in der Richtung«, bestätigte sie. »Die Schwestern betreuen ein Hospiz für HIV-Patienten. Ich kenne sie seit einigen Jahren. So wie wir beiden aussahen, hätten wir zu keinem Arzt gehen können, ohne eine Menge neugieriger Fragen beantworten zu müssen. Glauben Sie mir, die Nonnen sind vertrauenswürdig. Ich hätte uns nicht hierhergebracht, wenn ich ihnen nicht vertrauen könnte. Übrigens, der Vergil und der Augustinus...«
»Was ist damit?« Automatisch tastete Amadeo nach seiner Hemdtasche, doch natürlich befand sich die Ledermappe, in der sich die Fragmente aus dem Augustinus verbargen, in seiner Reisetasche.
Sie hob die Schultern. »Sie haben mein Wort: Die Stücke sind bei vertrauenswürdigen Leuten. — Jetzt schauen Sie nicht so, Amadeo! Sie haben selbst erlebt, was passiert ist. Es ist zu gefährlich, wenn wir sie mit uns herumtragen.«
»Stimmt«, gestand er brummend ein. »Das ändert allerdings nichts daran, dass auch ich hier den Kopf hinhalte. Vor allem ich. Ich bin froh, dass Sie mir helfen, Rebecca«, sagte er, obwohl ihr das ohne Zweifel klar sein musste. »Mit Sicherheit wäre ich nicht so weit gekommen ohne Sie. Wenn wir jedoch in Zukunft eine solche Entscheidung treffen«, er sah sie an, und diesmal gelang es ihm, dem Blick der grünen Augen standzuhalten, »möchte ich, dass wir sie von nun an gemeinsam treffen.«
Sie zögerte einen Moment, dann nickte sie ernst. »Ich verspreche Ihnen, dass wir das tun werden — wann immer ich es verantworten kann.«
Er seufzte. »Also, warum sind wir in Köln?«, fragte er.
»Weil der Boëthius hier ist«, sagte sie, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.
Der Restaurator starrte sie an. »Der Boëthius?«
»Er liegt in der Dombibliothek.« Sie wies hinüber zur Fassade der Kathedrale. »Einen Steinwurf vom Dom entfernt. «
»Woher wissen Sie...« Er brach ab. »Woher wissen Sie überhaupt vom Boëthius?«
Sie griff unter die Wolldecke und reichte Amadeo ein DIN-A 4 -Blatt.
Lieber Amadeo ,
na also, allmählich kommt er auf den Punkt. Und es sieht nach einem wirklich interessanten Punkt aus, um es mal ganz harmlos auszudrücken .
ecce.mihi.lacerae.dictant.scribenda.Camenae — »So befahlen es mir die schmerzvoll klagenden Musen«. Diesen Satz kenne auch ich nur von Boëthius, es ist einer der ersten Verse aus seinem Trost der Philosophie. Sie finden unseren Boëthius in der Erzbischöflichen Dom- und Diözesanbibliothek zu Köln .
Einen Ansprechpartner kann ich Ihnen im Augenblick noch nicht nennen, dazu müssen wir die Geschäftszeiten der Institute abwarten — und die fangen nicht mehr zur Prim an wie vor fünfhundert Jahren .
Ich melde mich in Kürze!
Kölle Alaaf
Helmbrecht
PS: Passen Sie auf sich auf .
PPS: Warum nicht mehr an die Adresse der Steinmann? Haben Sie Ihre Finger etwa nicht bei sich behalten können?
»Er scheint jedenfalls guter Dinge zu sein«, bemerkte Rebecca.
»Woher haben Sie diesen Brief?«, fragte Amadeo konsterniert. Beim PPS war ihm kurz schwummerig geworden, doch zum Glück ging Rebecca nicht darauf ein.
Sie musterte ihn spöttisch. »Wenn Sie über meinen Rechner ins Netz gehen und sich nicht einmal die Mühe machen, den Verlauf zu leeren.«
»Sie waren an meinen E-Mails?«
Rebecca schmunzelte. »Sie waren an meiner Handtasche. Damit sind wir wohl quitt.«
»Ich...« Was sollte er dazu sagen?
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