Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
Gelegenheit für einen neuen, einschläfernden Monolog, und er verfehlte seine Wirkung nicht. Amadeo spürte, wie er allmählich wegzudämmern begann, während sein ehemaliger Kollege den Wegweisern in Richtung Autobahn folgte. Seltsam genug, dass er ihnen so bereitwillig half. Na, sicher nicht meintwegen, dachte Amadeo grimmig. Der Kerl ging ihm ganz gewaltig auf die Nerven.
    Doch er war ihm tausend Mal lieber als die Männer in den dunklen Anzügen.
L
    Weinberge! Amadeo kam es vor, als wäre es Jahre her, dass er zum letzten Mal Hänge voller Rebstöcke gesehen hatte. Mit einem Mal, von einem Augenblick auf den anderen, wurde er von einer Sehnsucht nach dem Dorf am Rande der Marken gepackt. Nach dem kleinen steinernen Haus, in dem er aufgewachsen war, dem gedrungenen Türmchen ihrer Dorfkirche, dem derben grauen Brot, das seine Mutter heiß und duftend aus dem Ofen geholt hatte, mit der strengen Anweisung, es erst einmal eine Stunde abkühlen zu lassen, bevor sie den Laib anschneiden durften.
    »Fast wie zu Hause«, sagte er leise.
    »Kein Wunder, den Wein haben uns die Römer gebracht.« Görlitz wies zum Fenster an der Beifahrerseite. »Da unten hat man vor einigen Jahren eine sehr stattliche Villa aus der Kaiserzeit ergraben, für deutsche Verhältnisse eine uralte Besiedlung.«
    Älter als der Boëthius, dachte Amadeo. Älter als der Hortulus und die anderen Codices — aber jünger als die Offenbarung.
    Als er aufgewacht war, waren sie wohl schon eine Weile auf der Autobahn unterwegs gewesen. Auf den Hinweistafeln war Koblenz ausgeschildert — es ging also noch immer nach Süden. Was auch immer Görlitz ihnen zeigen wollte, es war nicht nebenan.
    Das gelbliche Licht des späten Nachmittags lag auf den waldigen Hängen, und rechts von der Autobahn stiegen die Hügel zur Eifel hin an. Vor einigen Abfahrten hatte Amadeo ein Schild bemerkt, das auf den Nürburgring hinwies. Kaum die richtige Strecke für Görlitz: Der Gegelte fuhr eher gesittet — und das war noch untertrieben. Jedenfalls wurden sie nicht verfolgt, bei dem Tempo wäre das aufgefallen.
    Jetzt wurde der Deutsche noch langsamer.
    Abfahrt 34, las Amadeo, Mendig. Dann ein neues Hinweisschild, das weitere Ortsnamen auflistete. »Maria Laach!«, sagte er überrascht, und das Grinsen im Rückspiegel war Antwort genug.
    Görlitz fuhr von der Autobahn, bog nach rechts und folgte einer Pflasterstraße, die sich in einer weiten Linkskurve um einen bewaldeten Hügel zog. Gemächlich überwand der BMW eine Anhöhe — und dann lag die Wasserfläche des Laacher Sees vor ihnen.
    »Wunderschön«, sagte Rebecca. »Ich habe Fotos gesehen, aber wenn man wirklich da ist, sieht es auf einmal ganz anders aus.«
    »Seltsam«, murmelte Amadeo. »Auf Fotos wirkt es eher kitschig. Dann kommt man hin, und es ist wirklich so.«
    Am linken Ufer erhob sich die Klosteranlage von Maria Laach, eines der vielen Ziele, die Amadeo während seines Jahres in Weimar immer hatte aufsuchen wollen. Wie die meisten anderen Pläne, die er damals gehabt hatte, hatte sich auch dieser zerschlagen.
    Die Klosterkirche war wahrhaft eindrucksvoll. Sie war eines der großen Baudenkmäler der Romanik und damit völlig anders als der Dom, den sie an diesem Nachmittag gesehen hatten. Kleiner in den Proportionen, strenger, karger, der Landschaft nur angemessen. Im Mittelalter war diese Gegend weitab vom Schuss gewesen. Zum See hin war ein Parkplatz ausgeschildert, doch Görlitz bog nach links ein, auf das Klostergelände. Es ging um einige Kurven, zwischen alten Gebäuden hindurch, bis der Gegelte den Wagen direkt vor einem Schild mit der Aufschrift »Parken nur für Klosterangehörige« zum Stehen brachte.
    »Ob das eine gute Idee ist?«, fragte Amadeo.
    Görlitz öffnete das Handschuhfach und holte einen eingeschweißten Ausweis hervor, den er mit überlegenem Lächeln auf dem Armaturenbrett ablegte.
    Amadeo versuchte zu erkennen, was darauf zu lesen war. »Du bist wohl häufiger hier, hm?«
    »So ab und an.« Görlitz stieg aus dem Wagen.
    Amadeo und Rebecca taten es ihm gleich. Als er sich aufrichtete, spürte Amadeo ein unangenehmes Ziehen in seinem Rücken. Die Bandagen mussten irgendwie aus der Form geraten sein, während er geschlafen hatte.
    »Na, dann kommt mal mit.« Görlitz spazierte einen Fußweg entlang, bog dann durch eine Baumreihe, und schon standen sie direkt vor der Klosterkirche. »Seht ihr das Paradies?«, fragte Görlitz. Er war stehen geblieben, und ein Leuchten war in seine

Weitere Kostenlose Bücher