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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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zucchetto , die schlichte runde Kappe katholischer Priester, die ursprünglich die Tonsur hatte bedecken sollen. An ihrem Farbton konnte man den Rang des Trägers innerhalb der Kirche ausmachen. Die zucchetti einfacher Priester waren schwarz, Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und andere hohe Würdenträger trugen unterschiedliche Schattierungen von Rot; Weiß war dem Papst vorbehalten.
    Der zucchetto des Mannes im Lehnstuhl war in einem Rotton gehalten, ebenso die Knöpfe der Soutane. Die genaue Farbe konnte Amadeo nicht erkennen. Der Kirchenmann griff nach einem Weinglas, das zwischen den Büchern auf seinem Tischchen stand. Dabei fachte er — war das beabsichtigt? — die Flammen im Kamin an, so dass für einen Augenblick seine Züge sichtbar wurden.
    Rebecca sog den Atem ein. Bei Amadeo war der Effekt gegenteilig, ihm blieb die Luft weg.
    »Eminenz«, brachte er nach einigen Sekunden hervor, aber es war mehr ein Röcheln. Er wusste selbst nicht, was er damit hatte sagen wollen, außer, dass er den Mann im Lehnstuhl erkannt hatte.
    Angelo Kardinal Bracciolini, Staatssekretär seiner Heiligkeit, war ein Mann jenseits der siebzig. Sein Blick war aufmerksam, doch er lag ohne Regung auf den Eingetretenen. In einem weniger strengen und asketischen Gesicht hätte die schmale Nickelbrille lächerlich gewirkt, bei Bracciolini ließ sie sofort Erinnerungen an papa Pio aufkommen. Nicht etwa an den gegenwärtigen Pontifex, sondern an Pius XII., Eugenio Pacelli, den letzten Papst vor Beginn der liberalen Reformen der Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil.
    »Ich freue mich, dass es Ihnen so kurzfristig möglich war, meine Einladung wahrzunehmen«, sagte Bracciolini, und nicht der leiseste Hauch von Ironie schwang mit.
    »Hätten wir geahnt...«, begann Amadeo.
    Der Kardinal winkte ab. Seine Gesten waren knapp und beherrscht, zugleich aber auch beherrschend: Er beherrschte den ganzen Raum mit ihnen — und das Gespräch. Amadeo spürte, wie die Kälte dieses Raumes bis auf seine Knochen drang. Dieser Mann war gefährlich. Gefährlicher als die halbautomatischen Waffen seiner Schergen, die irgendwo, ein oder zwei Zimmer entfernt, auf ihre Befehle warteten.
    »Bitte nehmen Sie ein Glas Wein«, sagte der Kardinal und wies auf den Kaminsims.
    Amadeo hob die angebrochene Flasche. Es war Rosso Piceno. War das ein Zufall? Er goss für Rebecca und sich selbst ein.
    »Signore, Signorina« , Bracciolini hob sein eigenes Glas leicht an und beobachtete das Spiel der blutroten Flüssigkeit. »Ich habe Sie hierher gebeten, weil ich es für sinnvoll halte, gemeinsam nach einer Lösung für unser Problem zu suchen.«
    »Wir haben ein gemeinsames Problem?«, fragte Rebecca und hob eine Augenbraue. Ihre Stimme klang herausfordernd — und seltsam ruhig.
    »Das waren nicht exakt meine Worte.« Die Augen des Kardinals richteten sich auf die junge Frau, und seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem freudlosen, dünnen Lächeln. »Unser Problem ist kein gemeinsames, aber unsere Probleme sind eng miteinander verknüpft. Ich bin überzeugt, dass wir zu einer Lösung kommen können, die unser beider Interessen dient.« Er nippte an seinem Wein. »Kommen sollten.«
    »Weil Ihre Männer versagt haben«, stellte Rebecca fest. »Weil wir noch immer am Leben sind und Sie keine andere Möglichkeit mehr sehen.«
    »Weil ich keine bessere Möglichkeit sehe«, korrigierte der Kardinal.
    Amadeos Herz machte einen Sprung. »Sie geben also zu, dass es Ihre Männer waren, die Sheldon... Wissen Sie, was sie mit Niccolosi gemacht haben und mit seinem...«
    »Und desgleichen haben auch die Männer verlassen den natürlichen Brauch des Weibes« , zitierte Bracciolini mit ernster Miene. » Und sie haben sich füreinander erhitzt in ihren Lüsten und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den gerechten Lohn ihres Irrtums, wie es denn sein sollte, an sich selbst empfangen.«
    Amadeo lief es eiskalt den Rücken herunter. »Den gerechten Lohn?« , flüsterte er.
    »Was geschehen ist, geschah nicht auf meine Weisung.« Für einen Augenblick, so glaubte Amadeo, blitzte so etwas wie Bedauern auf der Miene des Kardinals auf, doch sicher war er nicht. »Nicht in dieser Weise. Wie hätte ich ahnen sollen, dass meine Männer nicht auf Sie stoßen würden und Ihren Professor, sondern auf Ihren Kollegen und seinen...« Er schloss die Augen. Vielleicht sprach er ein stilles Gebet. »Aber ich frage Sie: Darf ich meine Männer tadeln für das, was sie getan haben? Sie

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