Die letzte Offenbarung
brüllen, um die Bässe aus den Boxen des Golf III zu übertönen, » Gesang unterlassen könnten. Außerdem stimmt es nicht.«
»Was stimmt nicht?«
»Sie haben sehr wohl eine Pistole«, er nickte zu der Waffe, »und ich wäre Ihnen überdies verbunden, wenn Sie ein wenig vorsichtiger...«
»Achtung, es wird etwas holperig!«, verkündete Rebecca gut gelaunt.
Der Wagen ruckte. Die CD machte einen Sprung und suchte surrend nach der richtigen Stelle. Amadeo fasste die Pistole fester. Die gelben Warnlichter einer Baustelle schössen vorbei. Ein Schild, das eine Höchstgeschwindigkeit von sechzig Stundenkilometern vorschrieb. Amadeo blickte auf den Tacho, der knapp einhundertdreißig km/h zeigte.
»Schon geschafft«, sagte Rebecca und klopfte gegen den CD-Spieler.
Im selben Augenblick begann der Titel von neuem, aber leiser und irgendwie blechern.
»Dein Handy«, sagte Amadeo überrascht und tastete in seiner Hemdtasche nach dem Telefon.
»Geh du ran«, bat Rebecca.
»Rufnummer unterdrückt«, murmelte Amadeo und betätigte die Annahmetaste. »Ja?«
»Hier möchte Sie kurz jemand sprechen«, sagte eine unbekannte Stimme.
Ein kurzes Knistern. Der Apparat am anderen Ende wurde weitergegeben.
»Amadeo, mein Junge!« Helmbrecht klang ein wenig müde, doch ansonsten guter Dinge.
»Professor!« Ein halber Gebirgsstock fiel Amadeo vom Herzen.
»Ich seh's, ich kann mich nicht verleugnen. Wie geht es Ihnen? Sie haben den Boëthius, hörte ich?«
»Wir haben ihn«, bestätigte Amadeo. »Aber ich konnte noch nicht... Wie geht es Ihnen?«
»Bestens. Der caffè hat mir gefehlt. Oh, ich soll Ihnen sagen, wenn Sie mich erreichen wollen, dann schreiben Sie meine Mailadresse einfach rückwärts. Die Jungs haben da was gebastelt.«
Natürlich, dachte Amadeo. Helmbrechts Mailadresse kannten Bracciolinis Männer, so hatten sie ihn schließlich gefunden. Rückwärts — sicher kein Meilenstein in der Geschichte der Kryptologie. »Können wir irgendetwas für Sie tun?«, fragte er. So unendlich viel war geschehen, und es kam ihm vor, als hätte er den alten Mann seit Monaten nicht gesehen. »Wo sind Sie?«
»Ja, wo bin ich?«
Erneut ein Knacken und Knistern, dann wieder die fremde Männerstimme: »Ihrem Professor geht es gut, wie Sie hören. Sie können Seine Eminenz jetzt auf freien Fuß setzen.«
»In Ordnung. Wie...« Amadeo stutzte. »Aufgelegt«, stellte er fest.
»Na, wir wissen doch auch alles«, sagte Rebecca, noch immer bester Laune. »Gleich da vorne ist ein Parkplatz.«
Am Rand der Autobahn stand ein blaues Schild mit der Aufschrift »200 m«. Die junge Frau trat die Bremse durch, Amadeo und der Gefangene ruckten in ihren Gurten vor. Rebecca setzte den Blinker und scherte auf die Abbiegespur.
»Sie können mich doch nicht hier...«, begann Bracciolini.
»Glauben Sie etwa, ich setze Sie vor dem Vatikanischen Konsulat ab?«, fragte Rebecca. »Es ist so ein schöner Sommerabend da draußen, und Sie sind nicht mal allein, sehen Sie?«
»Vielleicht nimmt Sie ja jemand mit«, fügte Amadeo hinzu, während Rebecca langsamer wurde und nach einem freien Platz Ausschau hielt. »Hier ist ja eine Menge los um diese Uhrzeit«, meinte er erstaunt.
»Das können Sie nicht machen!«, protestierte der Kardinal. »Was sind das überhaupt für dunkle Gestalten?« Seine Stimme wurde schrill.
»Schau an«, murmelte Rebecca und brachte den Wagen zum Stehen. »Dann noch einen schönen Abend, Eminenz.«
»Das können Sie nicht machen!«, wiederholte Bracciolini. »Ist Ihnen nicht klar, was das hier... Was das hier für Kerle sind?«
»Was denn?«, fragte Rebecca verwundert. »Verstehst du das, Amadeo?«
Im ersten Augenblick verstand Amadeo tatsächlich nicht. Erst als ein Herr mittleren Alters in auffällig engen Hosen und mit auffällig beschwingtem Schritt an ihrem Wagen vorbeischlenderte und mit allzu großem Interesse ins Innere spähte und kurz darauf ein Zweiter, begriff Amadeo. »Rebecca, das können wir doch nicht...«
»Was denn?«, wiederholte sie, die Harmlosigkeit in Person.
»Dir ist klar, dass diese Herren hier vermutlich nicht halten, um eine Butterstulle zu essen«, bemerkte er.
»Was du so alles vermutest«, erwiderte sie amüsiert. Sie stieg aus dem Wagen und öffnete die Tür auf Bracciolinis Seite. »Aussteigen!«
»Signorina , das wird Folgen haben!«
»Aussteigen!«, sagte sie scharf und legte die Hand auf ihre Jacke, unter der sich der Kolben ihrer Waffe abzeichnete.
Mit steifen Bewegungen
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