Die letzte Praline
immer noch auf den harten Steinstufen. Adalbert würde zuerst mit dem Fuß das Obsidianmesser wegtreten müssen, so etwas hatte er mal in einem ›Tatort‹ beobachtet. Hatte sehr einfach ausgesehen.
Doch ein netter älterer Herr half dem Jaguarkrieger auf die Beine, der sofort wieder in den Sprint schaltete.
Verfluchte Hilfsbereitschaft!
Nun war Wut in Adalbert, und Wut machte seine Beine noch schneller. Wogegen der Jaguarkrieger leicht humpelte. Auf der Strandpromenade war wenig los. In den Restaurants saßen die Touristen, aßen Waffeln, Frittiertes oder Seezunge und blickten aus dem Warmen hinaus. Nur wenige ließen sich vom scharfen Wind nicht abschrecken und flanierten mit zugezogenen Jacken und hochgezogenen Kragen. Zwei Jungen waren auf Gokarts unterwegs und rammten sich unter freudigem Geschrei.
Der Jaguarkrieger packte einen Jungen bei den Schultern, hob ihn aus dem Gefährt und schubste ihn zur Seite, um dann selbst mit dem Gokart davonzubrausen. Er ging ab wie eine Rakete.
Bietigheim hob den zweiten Jungen unsanft aus seinem Gokart, rief ihm ein »Sondereinsatz des Juryvorsitzenden« zu und strampelte hinter dem Mörder Jana Elisa da Costas her. Der Fußraum war viel zu eng für seine langen Beine, die Knie schlugen ständig gegen das Steuerrad. Doch davon durfte er sich jetzt nicht ablenken lassen. Es ging den Deich hinunter ins Stadtinnere, vorbei am Rathaus, einem kleinen Park mit Minigolf, Spiel- und Tennisplätzen, prachtvollen Hotels, zwei Eisdielen, bis zur idyllischen Tramstation, dann scharf in eine Linkskurve. Adalbert wünschte sich ein Fahrrad und überlegte kurz, an einem der Radverleihe anzuhalten und das Gefährt zu wechseln, doch in dieser Zeit wäre ihm der Bursche entkommen. Wenige Augenblicke später fand er sich im Villenbereich De Haans wieder. Es ging hinauf und hinab über kleine Sträßchen, auf denen kaum zwei Wagen nebeneinanderpassten.
Plötzlich knallte es. Adalberts Gokart hatte einen Platten – und der Jaguarkrieger hatte es gehört. Adalbert trat weiter, es fühlte sich an, als müsse er das Matterhorn mit einem Dreirad hoch. Es war hoffnungslos.
Er stoppte.
Der Jaguarkrieger erstaunlicherweise auch. Er drehte sich um. »Einen Millimeter näher, und ich bin weg!« Er sprach mit tiefer Stimme und starkem amerikanischen Akzent. Falschem Akzent. Der Bursche verstellte seine Stimme, um unerkannt zu bleiben.
»Ach, hauen Sie doch ab«, sagte Adalbert atemlos. »Ich bin es leid, hier wie ein Kleinkind herumzutreten.« Entschlossen stellte er einen Fuß aus dem Kart. »Verkriechen Sie sich wieder in Ihren Unterschlupf wie eine Ratte. Und wenn Sie das nächste Mal herauskommen, schmeiß ich was anderes nach Ihnen als ein tragbares Telefon.«
»Ich wollte Madame Baels nicht töten, sagen Sie ihr das bitte.« Der Jaguarkrieger schien tatsächlich so etwas wie ein Gewissen zu haben. Überraschend.
Der Professor konnte nicht anders, als laut zu lachen. »Warum haben Sie sich dann in ihr Schlafzimmer geschlichen? Um sie zu malen?«
Phinchen hatte noch in der Nacht die Polizei informiert, welche ihr daraufhin Personenschutz zugesagt hatte. Auf Adalberts Anwesenheit im Nebenraum wollte sie dennoch auch in der heutigen Nacht nicht verzichten.
»Um sie zu beruhigen.«
»Sie zu beruhigen! Weswegen zu beruhigen? Dass sie von Ihnen angenehm ermordet wird?« Empört richtete Bietigheim sich auf und unternahm einen entschiedenen Schritt in Richtung seines Gesprächspartners.
»Dass alles gut wird. Kommen Sie nicht näher!«
Bietigheim setzte sich wieder. »Dass alles gut wird? Und das von Ihnen? Ist das aztekischer Humor?«
»Sie müssen das nicht verstehen.«
»Sie reden von verstehen? Bei Mord? Wie kann man verstehen, warum Sie Jana Elisa da Costa getötet haben?«
»Um ein Exempel zu statuieren. Sie ist die einzige Teilnehmerin aus einem Land, in dem Kakao produziert wird.« Eine schwarzweiße Katze tauchte auf und schnurrte dem Jaguarkrieger um die Beine.
»Das ist doch kein Grund, eine junge Frau umzubringen!« Bietigheim rang um Fassung. »Und Beatrice Reekmans? Was war Ihr Grund, sie zu töten?«
»Ich habe sie nicht ermordet.«
»Ach, es war also nur ein Versehen oder ein unglücklicher Unfall? Wie praktisch für Sie!«
»Nein, das meine ich nicht. Ich habe nichts mit ihrem Tod zu tun.«
Bietigheim nickte innerlich. Das hatte er schließlich bereits vermutet. Und er schenkte den Worten des Jaguarkriegers Glauben. »Aber Sie haben da Costas Leiche
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