Die letzte Praline
sie hatte keinem Hoffnungen gemacht!« Emile schüttelte entschieden den Kopf.
»Aber ein Chocolatier war’s, oder? Ich meine, wegen des Schokoüberzugs.«
Emile wollte es nicht sagen, doch nachdem er das Kreuz der Kapelle lange angesehen hatte, tat er es trotzdem. »Ja, mein Vater hat mir erzählt, wie die Schokolade aussah. Das kriegt ein Laie nicht hin, so eine gleichmäßige Verteilung. Dafür muss man mit großen Mengen Schokolade gearbeitet haben. Das sieht viel leichter aus, als es ist.«
»Aber warum hat der Mörder sich die Mühe gemacht, sie mit Schokolade zu überdecken? Das lenkt die Spur doch nur auf ihn.«
»Ja, stimmt. War ’ne saudumme Idee.«
»Und der Mord an Jana Elisa?«
»Das kann jeder gewesen sein.«
Pit lehnte sich näher. Nicht um Emile Angst zu machen, sondern weil er wollte, dass dieser ihm vertraute. »Was meint dein Vater, wer es war?«
»Sagt er nicht. Nur dass er eine Ahnung hat.« Emiles Stimme zitterte kaum hörbar.
»Hast du eigentlich keine Angst um deinen Vater?«
Er schüttelte entschieden den Kopf. Ein wenig zu entschieden. »Dem passiert nix. Da bin ich mir ganz sicher. Mein Vater ist ein super Kerl. Dem will keiner was Böses.«
»Das hast du von Bea auch gedacht.«
»Ja, ich weiß. Aber es werden nicht kurz hintereinander zwei Menschen sterben, die mir so unglaublich wichtig sind. Sie sollten mal mit ihm reden. Also, über den Mord. Ich sag ihm auch, dass man Ihnen vertrauen kann.«
So was hörte Pit eher selten. Selbst die Kunden in »Aunties Tea Shop« zählten jedes Mal nach, wenn er ihnen das Rückgeld gab.
»Okay, dann lass uns zu ihm gehen. Sofort.« Pit stand auf. Er hatte schon wieder Appetit auf Fritten. Das wurde immer schlimmer. Streuten die hier Koks statt Salz drauf? »Auf dem Weg kaufen wir noch irgendwo Fritten. Wo gibt es die besten?«
»Hier am Groote Markt. Aber die besten Fritten Belgiens gibt es in Brüssel, Maison Antoine, das ist ein etwas größerer Pavillon am Place Jordan.« Emile war verwirrt. »Aber Sie wollen da jetzt doch nicht hin, oder? Sie kommen doch mit zu meinem Vater?«
»Ja, und danach fahre ich nach Brüssel. Wenn ich nicht die besten Fritten der Welt bekomme, dann war mein Leben vertan.« Pit überlegte kurz. »Das gilt übrigens auch für das beste Steak und die beste Currywurst.«
Franky van der Elsts Laden in der Steenstraat war noch voller als sonst. Im Schaufenster hing ein neues Plakat, das van der Elsts Kuchen aus dem Halbfinale und ihn selbst strahlend daneben zeigte. Darüber die Schlagzeile »Der kommende Weltmeister!«. Unter dem Plakat stand der Kuchen. Der Brügger Chocolatier musste ihn noch einmal nachgebacken haben, denn Pit wusste, dass das Original von Madame Baels Sponsorenrunde verspeist worden war. Seinem Eindruck nach hatte van der Elst für das Schaustück noch eine Körbchengröße draufgelegt. Umringt war der Kuchen von Dutzenden kleiner Miniaturexemplare, inklusive passender Papierschachteln in BH-Form.
Das konnte Ken seiner Barbie schenken.
Ein Paar Brüste nach dem anderen wurde verkauft, ein Fernsehteam hatte sich in die Ecke gedrückt und filmte von einer Leiter aus das Tohuwabohu. Der Meister selbst war nicht anwesend, hatte aber zusätzliches Personal eingestellt, das nun im Akkord verkaufte.
»Wir sollten besser hintenrum rein, ist immer besser«, sagte Emile.
Pit verkniff sich einen Witz.
Kurze Zeit später standen sie in der Gasse hinter der Chocolaterie, doch schon von außen war zu sehen, dass kein Licht im Produktionsraum brannte. Die Tür war verschlossen.
»Ach, Mist!«, fluchte van der Elst junior und presste die Lippen aufeinander. »Es ist schon nach eins, oder?«
Pit blickte auf seine Uhr und nickte. »Wieso? Verwandelt sich dein Vater um diese Uhrzeit immer in einen Schokoriegel?«
»Nein, dann joggt er. Jeden Tag. Da hat er seine Routine. Er läuft auch immer dieselbe Strecke, fast immer in derselben Zeit. Puls 120 bis 140, Sie wissen schon.«
»Ja, klar, Puls 120 bis 140«, sagte Pit. »Mach ich auch immer. Beim Joggen. Oder Reiten. Oder Skydiving.« Er hatte keine Ahnung, was es mit Puls 120 auf sich hatte. Klang auf jeden Fall zu schnell.
»Sollen wir ihn abfangen?«, fragte Emile. »Ist nicht weit. Er joggt immer bei Blankenberge.«
»Solange ich nicht mitlaufen muss, gern.«
»Sie sind nicht richtig dafür gekleidet«, antwortete Emile. Er war scheinbar noch zu jung für Ironie. Die kam mit dem Alter. Automatisch. Und war überlebenswichtig, wie Pit
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