Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
versammelt undsäumten wie Statuen den Korridor. Sie beteten andächtig, ohne einen Laut von sich zu geben.
Als Maddalena an die Tür der Zelle kam, klopfte sie vorsichtig: »Hochwürden Mutter Maria, ich bin es, Maddalena. Darf ich stören?«
Eine sanfte, aber feste Stimme antwortete von drinnen: »Kommt herein, meine Gute, es ist offen.«
Aus dem Schatten der Kapuze strahlte ein intensives und engelhaftes Lächeln hervor, und eine warmherzige Stimme empfing sie: »Ich las gerade. Was kann ich für Euch tun, Schwester?«, fragte sie, während sie das Buch zuklappte und auf ihr Schreibpult legte.
Seitdem sie, nach dem schrecklichen Tod Mutter Valerias, zur Äbtissin ernannt worden war, hatte Mutter Maria es verstanden, sich nicht nur die Achtung, sondern auch die Zuneigung aller Mitschwestern zu erwerben. Schwester Maddalena hatte sofort Gefallen an ihr gefunden. Die Äbtissin verstand es, Glaube und Andacht auszustrahlen, aber auch ganz menschlich zu lachen und sich zu freuen. Sie war zwar streng, aber gleichzeitig verständnisvoll und gerecht. Eine echte Mutter, für das Kloster.
Maddalena antwortete ihr höflich, konnte aber nicht verbergen, wie bewegt sie war: »Pater Notari hat uns soeben verlassen. Er bat mich, Euch sofort zu rufen, denn für die Novizin ist der Augenblick der letzten Ölung gekommen.«
Mutter Maria griff instinktiv an den Rand der Kapuze und zog diese noch fester um ihr Haupt, als wollte sie ihr Gesicht dem Licht oder fremden Blicken verschließen. Dann stand sie auf und legte mit schnellen, kundigen Bewegungen die Paramente an. Aus dem Schrank holte sie das Kruzifix, die Ampulle mit dem geweihten Öl und eine goldene Ikone mit dem Antlitz der Muttergottes. Schwester Maddalena sah zudem, wie sie einen Füller und ein Notizbuch aus dem Nachtkästchen holte und in ihre Tunika steckte.
»Gehen wir«, sagte sie schließlich, die Tür ansteuernd.
Schwester Maddalena folgte ihr, und im Hinausgehen sah sie das Buch, das Mutter Maria gelesen hatte: »Die Prophezeiungen der Maya«. Sie war verblüfft. Gewiss kein kanonischer Text, ging es ihr durch den Kopf. Aber dann befiel sie wieder eine beklemmende Unruhe, und sie dachte nicht weiter daran.
Als sie beide am Bett der Novizin standen, bat Mutter Maria sie: »Lass uns bitte allein, in Gottes Gnade.«
Sie gehorchte und verweilte vor der Tür, um mit den anderen Schwestern zu beten.
Beim Anblick der Äbtissin versuchte die Novizin, sich ein wenig in den Kissen aufzurichten, schaffte es aber nicht. Also half Mutter Maria ihr mit fürsorglicher Hand.
»Meine Mutter, noch eine Vision«, flüsterte die Kranke mit fast unhörbarer Stimme. »Die letzte, glaube ich, aber ich kann nicht mehr schreiben. Tut Ihr es für mich, ich bitte Euch.«
»Meine Tochter, ich werde deine Worte sorgfältig und genau transkribieren.« Mutter Maria setzte sich auf den Stuhl neben das Bett, öffnete das Notizbuch und nahm den Füller zur Hand.
In diesem Moment ging die Sonne unter. Der letzte Lichtstrahl verschwand plötzlich aus dem Gesicht des Heilands, der über dem Bett hing. Alles war dunkel und still geworden, als die Novizin mit engelhafter, entrückter Stimme erneut zu sprechen anfing:
»Ich sehe den Erzengel Michael.
Er kämpft im Himmel gegen das gekrönte Horn und verletzt es tödlich am Kopf.
Aber Satan heilt es und verbannt es auf die Erde.
Und ich sehe das verletzte Horn mit seiner Krone im Westen wieder erstehen, aus dem letzten Meer. Es gleicht äußerlichdem Tier, welches seinen Odem aus der Kraft des Drachen schöpft.
Es entweiht das heilige Feuer und verbrennt die rettende Arche.
So erhält er die Macht des Thrones, am 29. Tag des Mondes von Sivan, im 5769sten Jahr seit der Erschaffung der Welt, und er wird herrschen 43 Monde lang.
Und er unterjocht das andere Tier der Länder des Orients, den Führer, der predigend herrscht, den Afterpropheten, der sich ›Sohn Gottes‹ rufen lässt, jener, welcher den Schlüssel besitzt, um die Seelen der leuchtenden und sirrenden Götzen aufzuschließen. Jener, welcher den Himmel mit Feuer erfüllt und einem falschen Gott huldigt.
Und das gekrönte Horn blendet ihn.
Und macht ihn sich untertan.
Und schließlich entwendet es ihm den Schlüssel mit dem Zauber, der ihm gegeben, und es entreißt ihm die Hure Babylon, die den Namen Venus trägt.
Dann wirft es ihn in die Hölle.
Jetzt sehe ich, dass alle Götzen seine Diener geworden sind.
Und es gibt den Götzen den Befehl, die Menschen zu
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