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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Denn er liebte einfach alles, was mit Geheimzeichen, mysteriösen Gesellschaften, Verschwörungen und Betrügereien großen Ausmaßes zu tun hatte. Elvis' vorgetäuschter Tod, die gefälschte Landung auf dem Mond, das Ufo in der Area 51 – ihm machte keiner was vor.
    Jetzt näherte er sich dem Haus von Madame Poincaré. Hier sah er ganz genau hin, ließ nicht einmal die Holzplanken des Zaunes unkontrolliert. Es dauerte etwas, sogar ziemlich lange, doch schließlich wurde Pit fündig.
    Und wie er fündig wurde.
    »Was treiben Sie da?«
    Jemand tippte ihm auf die Schulter. Das konnte Pit überhaupt nicht leiden.
    »Können Sie sich ausweisen?«
    Pit drehte sich um. Langsam und ehrfurchtgebietend baute er sich zu voller Größe auf. Hoch wie breit.
    »Wer will das wissen?«
    »Gendarme Benoit Sokal.«
    »Kossitzke«, brummte Pit, nahezu ohne den Mund zu öffnen. Dann starrte er das dünne Männchen an.
    Und sah etwas.
    Kurzerhand knöpfte er dem verdutzten Gendarme die Jacke auf, was den Gesetzeshüter erzittern ließ.
    »Hab ich doch richtig erkannt, ein T-Shirt von der AC/DC-Jubiläumstour! Das gab's nur auf den Konzerten. Cool. Warst du dabei? Etwa in Paris? Das muss der Wahnsinn gewesen sein.«
    In Benoits Gesicht wurden die Rollläden hochgezogen. »Das beste Konzert meines Lebens! Ich durfte zu meinem achtzehnten Geburtstag hin.«
    »Mann, da wär ich so gern dabei gewesen … Aber immerhin habe ich den Bootleg.«
    »Ehrlich?« Benoits Augen funkelten.
    »Ja, sogar dabei. Willst du ihn dir brennen? Darfst du das überhaupt als Gendarme?«
    Benoit lächelte schief. »Muss ja keiner wissen.« Plötzlich verschwand sein Lächeln wieder. »Die Leute haben sich über dich beschwert.«
    »Ich hab nichts gemacht.«
    »Du würdest hier rumlungern.«
    »Ich gehe doch nur spazieren.«
    »Du hast dir das Haus von meiner Großtante aber sehr genau angeschaut.«
    »Gefällt mir halt. Und? Ist sie nett?«
    »Sie war. Sie ist gestorben. Vielleicht hast du davon gehört.«
    Pit schüttelte den Kopf.
    Benoit begann zu erzählen. Vom Käse seiner Tante und dass er diesen noch nie gemocht hatte, wie ungern er deshalb zu ihr in die Käserei gegangen war und wie er die alte Frau trotzdem ins Herz geschlossen hatte. Weil sie einmal die älteren Jungs aus seiner Schule zusammengefaltet hatte, als sie ihn in den Müllcontainer schmeißen wollten.
    Es sprudelte nur so aus Benoit heraus. Pit war ein verdammt guter Zuhörer, was seinen Job als Taxifahrer sehr viel einfacher machte. Er konnte wie auf Knopfdruck seinen Zuhörmodus einschalten, in dem er eine interessierte Ruhe ausstrahlte und die Worte förmlich aus den Fahrgästen zog. Doch heute musste er sehr mit sich kämpfen, denn langsam bekam er wieder Hunger, und Hunger bedeutete schlechte Laune.
    Zum Schluss seiner Ausführungen holte Benoit tief Luft und berichtete vom Tod seiner Großtante, was seine Augen leicht glasig werden ließ. Pit fand, es war an der Zeit, ihm seine Pranke brüderlich auf die Schulter zu legen.
    »Wow, ganz schöner Schlag. Und macht der Ort irgendwas Besonderes zu ihren Ehren? Da wird der Bürgermeister sicher selbst die Grabrede halten.«
    Benoit schüttelte den Kopf. »Nein, der hat anderes zu tun. Erst einmal steht das Käsefest an, und dann ist er sowieso immer unheimlich beschäftigt. Als größter Bauunternehmer vor Ort kein Wunder.«
    »Was baut er denn so?«
    »Alles. Aber am liebsten Fußballplätze.«
    »Ich hab hier gar keinen gesehen.«
    »Nein, die gibt es bei uns auch nicht.«
    Hinter ihnen wurde lautstark ein Fenster geöffnet und gleich wieder geschlossen. Benoit rückte seine Mütze zurecht. »Ich muss wirklich wissen, was du hier gemacht hast. Sonst gibt's Ärger mit dem Bürgermeister.«
    Pit boxte ihm freundschaftlich gegen die Schulter, wodurch Benoit fast umfiel. »Komm mal näher. Siehst du das hier? Für so was interessiere ich mich. Ist mein Hobby.« Er deutete auf ein paar Kerben am Zaunpflock. »Ein Halbkreis, darauf ein Kreuz. Das bedeutet: Kein Mann im Haus. Darunter ein Kreis mit einem Strich von links unten nach rechts oben: Übernachtung möglich. Ein gerader Strich und drei vertikale Striche darüber: Hier gibt es etwas.«
    Benoit kam näher und deutete auf das unterste Zeichen. »Und die beiden Kreise da nebeneinander?«
    Pit überlegte kurz, ob er es Benoit sagen sollte. Die Wahrheit war immer besser, entschied er sich.
    »Es bedeutet: Frau liebt Männer.«
    Benoits aschfahle Haut verriet Pit, dass der Gendarme genau

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