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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Hülle verpasst bekam. Aber getötet hat ihn wohl erst das Paraffin. Er ist erstickt.«
    Jan stand auf, denn der Kaffee war durchgelaufen. »Beim ersten Mord war es ein Käsemesser, jetzt Käsewachs. Warum nicht einfach erschießen?«
    »Zu laut«, erwiderte Bietigheim.
    Jan stellte eine Tasse vor ihm ab. »Es gibt doch Schalldämpfer.«
    »An die kommt man aber nicht so einfach heran. Wüsstest du, wo solch eine Waffe zu beziehen wäre? Ich nicht.«
    »Ich schon.« Pit griff in seine Lederjacke und zog eine Pistole heraus. »Immer am Mann.«
    Jan hob abwehrend die Hände »Was ist denn das?«
    »Eine Colt Detective Special, Kaliber 38, die wurde nach den Wünschen amerikanischer Polizisten entwickelt. War gar nicht teuer.«
    »Die habe ich jetzt nicht gesehen«, sagte der Professor.
    »Die habe ich auch nicht gezeigt«, sagte Pit und steckte die Waffe wieder ein.
    Jan gab lila Lavendelzucker in seinen Kaffee und rührte schnell um. »Es bleibt dabei: Der Mörder hätte es sich einfacher machen können. Wenn er keine Pistole benutzen will, dann eben immer ein Messer, damit kann er ja umgehen. Deshalb denke ich …«
    »… er will ein Zeichen setzen«, unterbrach ihn der Professor. »Es gibt einen Adressaten für diese morbiden Mitteilungen. Und vielleicht würde Monsieur Vesnin heute noch leben, wenn Bürgermeister Jules Bigot den ersten Mord nicht vertuscht hätte. Umso dringender müssen wir uns fragen: Wer soll die Botschaft erhalten, und warum? Finden wir den Adressaten, finden wir den Mörder. Finden wir den Adressaten nicht, finden wir bald vielleicht erneut eine Leiche. Und ein weiterer Käse droht der französischen Gesellschaft abhandenzukommen. Dies ist ein echter Aderlass für Frankreichs Käsekultur! Ich mache mir ernsthaft Sorgen, dass sie all ihrer meisterlichsten Exponate beraubt wird. Und das Herz der Franzosen besteht aus Käse!«
    Jan stürzte den heißen Kaffee hinunter. Eigentlich hätte der ihm den Schlund verbrennen müssen, doch Jan verzog keine Miene. »Ich muss dringend zu Mademoiselle Leroy. Allein. Nimm's mir nicht übel, Cousin, aber sie schien dich nicht ins Herz geschlossen zu haben. Ich muss sie warnen, sie muss über die Morde Bescheid wissen. Vielleicht ist sie die Adressatin.«
    Da suchte anscheinend jemand einen Vorwand, um die junge Dame abermals besuchen zu können. »Falls sie allerdings doch die Täterin ist«, sagte der Professor, »musst du dir darum keine Sorgen machen.«
    Jan schüttelte verständnislos den Kopf. »Ein bisschen Menschenkenntnis, nur ein bisschen, und du wüsstest, was du da gerade für einen Blödsinn geredet hast.«
    Das Telefon klingelte. Es war noch ein ganz altmodisches, das tatsächlich mit einem echten Rington klingelte und kein elektronisches Tüdelü von sich gab. Der Professor musste stets lächeln, wenn es ertönte.
    Jan erschien im Türrahmen.
    »Das war die Redaktion. Ich muss sofort nach Epoigey und Fotos schießen. Heute Nacht ist eingebrochen worden. Ihr werdet nicht glauben, wo.«
    »Bei Madame Poincaré«, sagte der Professor und erntete ein Nicken. »Und was wurde entwendet?«
    »Anscheinend kein Geld oder Wertsachen.«
    »Sondern?«
    »Ein gutes Dutzend Käselaibe.«
    Jan fand Mademoiselle Leroy im Weinberg. Sie band die rankenden Reben an gespannten Drähten fest, damit sie im Herbst schwere Trauben tragen konnten und nicht abknickten. Geschickt griffen ihre Hände zu, ohne auch nur ein Blatt zu verletzen. Sie trug ein Haartuch, einen dicken Pullover und abgewetzte Jeans.
    Jan fand diese Kombination zum ersten Mal in seinem Leben attraktiv.
    Er parkte seinen Wagen an der N 74 und blieb fürs Erste sitzen.
    Denn er wusste nicht, ob er überraschend hinter Mademoiselle Leroy auftauchen oder lieber gut erkennbar auf sie zugehen sollte. In seinen Gedanken nannte er sie natürlich längst bei ihrem Vornamen. Béatrice.
    Die Entscheidung wurde ihm abgenommen.
    Denn Mademoiselle Béatrice Leroy erkannte Jan und kam mit wütenden Schritten auf ihn zu. Sie löste sogar ihr Haarband und schwang es wie eine Peitsche.
    Okay, Friedenspfeife rauchen sah anders aus.
    Jan beschloss, aus dem Wagen zu steigen, um nicht im Sitzen den Skalp zu verlieren.
    »Was wollen Sie denn hier!«, rief sie ihm schon von Weitem entgegen.
    Das Sie bedeutete: Sie Wurm, Sie unverschämter Lügner, Sie modriger Dreck unter den Fingernägeln.
    »Ich wollte Sie sprechen«, antwortete Jan.
    Sein Sie hieß: Sie wunderbare, bezaubernde und leider auch ein wenig wütende

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