Die letzte Reifung
Vielleicht lehne ich mich weit aus dem Fenster, doch ich wage zu sagen: Wer das Rätsel der glücklichen Kühe löst, findet den Mörder. Die Polizei achtet natürlich nicht darauf, es sind ja nur Rindviecher! Doch ich frage: Warum fanden sich stets Kühe in einem unnatürlichen Glückszustand, wenn die Morde geschahen? Was macht der Mörder mit ihnen – und warum? Das Mysterium der Kühe ist keine Nebensache, es ist ein so ungewöhnliches Rätsel, dass seine Lösung uns alles über den Täter verraten wird.«
Es blitzte. Jemand schoss ein Foto von ihm. Doch es war kein Mitglied der Gesellschaft. Seiner professionellen Ausrüstung nach zu schließen, musste der Mann von der Presse stammen. Der Professor hatte ihn zuvor gar nicht bemerkt. Jetzt ging er, rannte sogar beinahe hinaus, ein hochzufriedenes Lächeln im Gesicht. Als habe er gerade den Jackpot geknackt.
Der Professor sammelte sich.
»Gerne können Sie mir im Anschluss an den Vortrag noch weitere Fragen zur Mordserie stellen, doch nun warten perfekt temperierter Käse und sorgfältig recherchierte Informationen auf Sie – und wir sollten beide nicht warten lassen.«
Er erntete ein Lachen und arbeitete im Folgenden souverän alle großen Käse des Burgunds ab. Als sich das Publikum am Ende des Vortrags erhob, ging Bietigheim auf Davide Aleppo zu.
»Sie sind doch noch einige Zeit hier, nicht wahr?«
»Ja, wieso? Die Studienreise geht noch drei Tage.«
»Ich könnte Ihre Hilfe brauchen, als Insider der Käsebranche.«
»Jederzeit.« Er reichte dem Professor seine Visitenkarte mit Handynummer. »Wir wohnen …«
»… im besten Haus am Platze, wie es sich gehört für die Gesellschaft.«
Hinter dem jungen Mann hatte sich bereits eine Schlange gebildet. Alle begehrten, mit dem Professor über die Leichenfunde zu parlieren. Doch der Käser aus Korsika hatte noch eine letzte Frage.
»Etwas habe ich eben noch vergessen. In unserem Hotel geht das Gerücht, Monsieur Vesnins Patentochter sei des Mordes verdächtig, weil sie alles erbt. Ist sie auch Ihre Hauptverdächtige?«
»Nein. Die Dame ist mir leider nicht bekannt.«
»Es ist eine Winzerin aus Nuits Saint Georges. Ihr Name ist Béatrice …«
Der Professor wusste leider, wie der Satz weiterging.
»… Leroy.«
Währenddessen standen zwei Männer vor einem Hof in Epoigey, der zwar alt und verfallen war, dessen Mauern jedoch massiv in den Himmel ragten wie die Wälle einer Burg.
Benno von Saber hob unbeeindruckt sein Beinchen an einer von ihnen.
Der Professor hatte Pit und Jan vor dem Mann gewarnt, der hier wohnte und nicht nur nachts bei Madame Poincaré Käse stahl, sondern auch rauchte wie ein Schlot, ach was, wie ein ganzes Kohlekraftwerk. Jan drängte darauf, den Burschen schnell zu überführen, denn er müsse dringend noch zum Weingut von Mademoiselle Leroy. Ein paar Fotos wolle er dort schießen, das Weingut sei so wild romantisch und das Licht heute so fantastisch.
Es fing gerade zu nieseln an.
Pit konnte es kaum erwarten, Gérard gegenüberzustehen. Er hatte zwar einen illustren Freundeskreis, aber ein Einbrecher war nicht darunter. Na gut, einer, aber Käse hatte der nie gestohlen. Nur Damenunterwäsche und Whisky. Sonst nichts. Ein Mann mit Prinzipien.
Gérard Brunots Haustür war abweisender als ein Sargdeckel. Ohne Klingel, nicht einmal ein Klopfer war dran. Pit und Jan gingen deshalb in den Hof, doch auch dort fand sich der Hausherr nicht.
»Die Hintertür ist verschlossen«, sagte Jan. »Lass uns gehen und später noch einmal wiederkommen.«
»Stimmt, du willst das super Licht ausnutzen«, sagte Pit und blickte hoch zu den sich auftürmenden Wolken.
»Unter anderem«, antwortete Jan grinsend.
»Wir sollten kurz noch im Garten nachsehen.«
Dieser, vielmehr eine kleine Länderei, erstreckte sich hinter dem Hof. Eine Hütte stand gute zwanzig Meter entfernt. Vermutlich bewahrte Gérard dort allerlei Gerätschaften auf. Noch etwas weiter hinten gab es einen hohen Holzzaun, zum Gutteil von Efeu überwuchert. Eine Tür war darin eingelassen. Was dahinter lag, ließ sich nur erahnen.
»Da gehen wir hin«, sagte Pit.
Benno von Saber lief kläffend vor.
»Spätestens jetzt weiß Gérard, dass jemand zu Besuch kommt«, seufzte Jan. »Dank unserer kleinen hechelnden Polizeisirene.«
»Vielleicht ist unser Käseklauer auch gar nicht da.«
Doch. Er war da. Im Blaumann trat er aus dem umzäunten Areal.
»Könnte das geheime Käselager sein«, flüsterte Pit.
»Quatsch«, erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher