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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Benno hatte vielleicht seinem Herrchen das Leben gerettet. Dafür würde er auf der Rückfahrt Telemanns gesamtes Weihnachtsoratorium zu hören bekommen. Mit Zugabe.
    Eins war nun sonnenklar, und der Professor hatte gelernt, mit wenig zufrieden zu sein: Keiner der hier Anwesenden konnte der Mörder sein. Inklusive Hervé Picard.
    Am nächsten Morgen riss den Professor das Telefon aus dem Schlaf. Doch er beschloss, nicht dranzugehen, denn gerade hatte er von der winterlichen Innenalster geträumt. Er mit Schlittschuhen darauf, einen Käselaib ins Eis kufend. Pits Schlaf war um einige Kilometer tiefer, denn er schnarchte kurzerhand lauter, um das Klingeln zu übertönen. Also musste Bietigheim schließlich doch die Schlittschuhe abschnallen. Im Erdgeschoss angekommen, warf er einen Blick auf die Küchenuhr. Schon fast Mittag. Kein Wunder, nachdem sie erst so spät in Camembert losgekommen waren, der Polizeibefragung sei Dank. Jan war sicher bereits in der Redaktion. Doch dafür begrüßte ihn ein anderer Bewohner der Höhle. Benno tapste unter der Küchenbank hervor, sein Bauch prall gefüllt, der kleine Racker hatte also schon gefrühstückt. Gut so, das war der Gesundung förderlich.
    Jaja, er war schon auf dem Weg zum Telefon!
    »Bietigheim. Ich höre.«
    »Mein lieber Professor, Sie klingen ja müder als eine Hure am Aschermittwoch.«
    »Frau von Trömmsen, welche Ehre!«
    Ihre Stimme klang wie Samt, in dessen Gewebe sich Zigarillorauch verfangen hatte. Göttlich.
    »Ich muss mich bei Ihnen beschweren. Hier sitze ich nun in Hamburg, werde immer noch von einer leichten Influenza inkommodiert, höre von Mordfällen, die Sie versuchen aufzuklären, erhalte aber keinen Anruf von meinem Professor. Lassen Sie mich sofort teilhaben an diesem Abenteuer, wenn auch nur aus der Ferne. Berichten Sie mir, meine Zeit gehört Ihnen.«
    Es klang fast ein wenig anrüchig, wie sie dies sagte. Dieses Juwel aus Winterhude.
    »Ihre Zeit gehört mir? Das ist Balsam für meine Ohren.«
    »Verdächtige und Motive, mein Lieber. Kurz und präzise, wie Sie es aus der Wissenschaft gewohnt sind.«
    Der Professor war so nervös, dass er sich setzte und Benno auf den Schoß nahm. Er musste mit seinen Händen irgendetwas tun, da konnte er auch den alten Freund kraulen. Doch zuvor schloss er den obersten Knopf seines Pyjamas und strich die Haare zurecht. Für ein Gespräch mit der einzigartigen Hildegard von Trömmsen, und sei es auch nur fernmündlich, galt es korrekt gekleidet zu sein.
    »Wollen Sie nicht lieber hören, was mir letzte Nacht Abenteuerliches widerfahren ist?«
    »Tatverdächtige und Motive. Die Motive sind das Wichtigste, sie sind schließlich der Schlüssel zur Tat.«
    Gut, dachte Bietigheim, was immer sie glücklich macht.
    »Meine hochverehrte Studentin, notieren Sie: Verdächtiger Nummer eins: Bürgermeister Jules Bigot. Sein Motiv: Erst durch den Tod von Madame Poincaré ist er an das Stück Land gekommen, auf dem er einen Fußballplatz bauen will.«
    »Für einen Fußballplatz tötet doch niemand. Hängt sein wirtschaftliches Überleben etwa davon ab?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Pff! Dann weiter.«
    »Benoit Sokal. Der Erbe. Er ist der Dorf-Gendarme.«
    »Kann also alles vertuschen.«
    »Aber er ist nicht der Cleverste.«
    »Das hat leider noch niemanden von Mord abgehalten. Aber welchen Grund hätte er für den Mord an Monsieur Vesnin? Von ihm erbt er doch nichts?«
    »Ablenkung. So denkt jeder, es gäbe einen irren Käsekiller. Dabei ging es die ganze Zeit nur um den ersten Mord.«
    »Dafür muss man schon sehr kaltblütig sein. So etwas ist selbst bei den jungen Leuten von heute sehr selten. Nächster Verdächtiger. Vite, vite!«
    Der professorale Magen grummelte. Geradezu unschicklich laut. Er musste etwas essen, bevor das Geräusch an Hildegard von Trömmsens Ohren drang. Bietigheim erhob sich vorsichtig, dass Benno nicht herunterfiel, und griff sich eine Tüte mit frischem Baguette, von dem Jan nur die Spitze abgebrochen hatte. Ein kleines Stück musste reichen. Schließlich konnte er nicht gleichzeitig reden und essen. Mordfall hin oder her, Manieren blieben Manieren.
    »Dann gibt es noch Mademoiselle Béatrice Leroy. Sie hatte einen heftigen Streit mit der Ermordeten, worum es dabei ging, wissen wir leider nicht. Nach eigenen Aussagen hat sie selbst Schuld auf sich geladen. Sie ist zudem die Patentochter des zweiten Toten, Monsieur Vesnin.«
    »Und ihr Motiv?«
    »Das liegt noch im Dunkeln. Sie ist allerdings

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