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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Fromage war der Ort bereits auserkoren.
    »Wissen Sie, woher der Name Camembert stammt?«, fragte er Pit, um etwas Konversation zu treiben.
    »Nö. Interessiert mich auch nicht.« Er schaltete die Scheibenreinigung an, um zum wiederholten Mal Insektenleichen von seiner Windschutzscheibe zu kratzen.
    »Er stammt aus dem Mittelalter. Übersetzt bedeutet er "Das Feld des Mambert".«
    »Gott, wie öde.«
    Dem Professor war schon früher aufgefallen, dass Pit sehr unwirsch wurde, wenn sein kolossaler Leib nicht genug Schlaf bekommen hatte. Erst die letzten Stunden der Bettruhe schienen sein animalisches Wesen zu zivilisieren und für die Dauer eines Tages in Ketten zu legen. Der Professor beschloss deshalb, den Gesprächsfaden erst wieder aufzunehmen, wenn Pit einige Tassen Kaffee intus hatte. Das geschah an der nächsten Restoroute, wie die Raststätten hier hießen. Doch das Koffein brauchte noch einige Zeit, bis es sämtliche Zellen in Pits Körper erreicht hatte. Der Professor genoss auf der Fahrt deshalb die ländliche Idylle der Normandie. Es ging vorbei an Fachwerkhäusern und endlosen Obstgärten. Was für eine gesegnete Gegend! Reich an grünen Wiesen, Kühen, Äpfeln, Sahne und Calvados.
    Das Dorf Camembert lag auf einem Hügel in den fruchtbaren Pays d'Auge und überblickte die mit Forellen gefüllte Viette. Es bestand ausschließlich aus Fachwerkhäusern, die sich an eine pittoreske Kirche kuschelten. Disney hätte es nicht niedlicher laubsägen können. Der Professor wusste, dass Camembert das größte kleine Dorf ganz Frankreichs genannt wurde. Nun sah er auch, warum. Im Zentrum gab es nur folgende Gebäude: das Käsemuseum (in Form einer Camembert-Spanschachtel), die Kirche St. Anne (inklusive Friedhof), das Rathaus, Ferme Président (ein weiteres Museum), Beamoncel (das Haus, in dem Marie Harel, die Erfinderin des Camemberts, gelebt hatte) sowie drei weitere Häuschen. Es dauerte deshalb nicht lange, bis sie alles nach einem konspirativen Treffen abgesucht hatten.
    Es fand aktuell keines statt.
    Also hieß es warten. Zu dritt. Denn der Tierarzt hatte Benno von Saber nach dem Röntgen wieder entlassen. Nichts gebrochen, nichts gestaucht, Foxterrier waren anscheinend äußerst elastische Hunde. Jetzt genoss er es, im Dorf nach Lust und Laune herumzustreunen und sein Bein in einer völlig neuen Region Frankreichs heben zu können. Auch dieser Landstrich war nun erobert! Pit nutzte die Zeit, um seine Emma zu polieren – die nötigen Utensilien führte er stets im Wagen mit sich. Kleopatra konnte von ihren Leibsklaven nicht zärtlicher mit Eselsmilch benetzt worden sein. Der Professor flanierte derweil umher, die Hände auf dem Rücken gefaltet und seinen Strohhut millimetergenau am Scheitel ausgerichtet. Doch nach einiger Zeit wurde ihm das Warten lang. Genauer gesagt seinem Magen. Pit brauste deshalb kurz davon und besorgte Cidre (den es gekühlt gab) und, nun ja, Camembert. Den Professor durchströmte ein ganz besonderes Glücksgefühl, als er Camembert in Camembert aß. Es fühlte sich unglaublich richtig an. Eine Picknickdecke und Geschirr hielt Pit in seinem Kofferraum stets für alle Fälle bereit. Der Professor fragte ihn, wie er da eigentlich das Gepäck seiner Passagiere verstaut bekam. Pits Antwort war ein breites Grinsen.
    Der Wettergott schenkte ihnen wunderbarstes Picknickwetter samt lauem Lüftchen – und von ihrem Platz aus konnten sie das ganze Dorf beobachten. Erst als es langsam dunkel wurde, setzten sie sich wieder ins Taxi. Es war bereits spät, als eine ältere Dame in normannischer Tracht das Museum aufschloss. Die Nacht hatte sich wie Asche über Camembert gelegt und ließ den Ort wie ein verlassenes Freilichtmuseum aussehen.
    Und dann kamen sie, einer nach dem anderen, insgesamt neun an der Zahl.
    Bietigheim kannte sie alle, zuletzt hatte er sie auf der Beerdigung von Madame Poincaré zu Gesicht bekommen. Käser und Affineure, allesamt berühmte Namen. Die besten Frankreichs, aus dem Perigord, von der Loire. Sogar Jacques Feuillate, der im Bergdörfchen Izeste im Vallée d'Ossau den besten Brébis des Pyrénées herstellte, hatte die lange Reise auf sich genommen. Obwohl die Milch seiner Kühe unwahrscheinlich mild war, schmeckte der Käse sehr kräftig. Auch Égly Ouriet war da, Käser des unvergleichlichen Reblochon de Savoye. Dieser wurde aus der dickflüssigen Milch hergestellt, die Kühe erst beim Nachmelken gaben. Charles de Gaulle sagte einst, es sei schwer, ein Volk zu

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