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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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nicht.
    … du bist die Frucht aus dem Euter der Kuh? Klang irgendwie ekelig.
    Er war nun einmal kein Dichter! Er war Gelehrter, Forschender, Studentenbändiger. Seine lyrische Ader war verkümmerter als die Fähigkeit eines Nashorns zum Synchronschwimmen.
    »Vacherin d'Epoigey, du bist …«
    Denk an etwas Inspirierendes, Adalbert! An Hildegard von Trömmsen, deine Muse! Die Aug wie Ohr erfreut.
    Das war es!
    »Vacherin d'Epoigey du bist … ein Fest für Aug und Ohr.
    Ich zieh dich allen andern vor!«
    Jawoll! Das ging doch! Das hatte Schmiss! Da sollte noch einmal einer sagen, die Professoren der Universität Hamburg seien Fachidioten!
    Wobei … ein Fest für Aug und Ohr war der Käse ja nicht. Er klang nicht besonders lecker. Er klang eigentlich überhaupt nicht, wie das für Käse so üblich war. Ein Fest fürs Ohr ging also nicht. Es musste ein anderes Fest sein. Natürlich!
    »Vacherin d'Epoigey, du bist ein Fest für Aug und Gaumen
    Ich zieh dich allen anderen vor, auch hochsaftigen Pflaumen!«
    Wer würde da nicht mitsingen!
    Jetzt brauchte es nur noch ein paar Strophen, und dann musste das Ganze natürlich noch ins Französische übersetzt werden. Wo es sich auch reimen sollte. Ein Kinderspiel!
    Versuchte er sich einzureden.
    Und so dichtete er weiter.
    Es war ein Hochgefühl, den Täter bald aus dem Verkehr ziehen zu können. Wer es war, würde er zuvor jedoch niemandem verraten. Denn wenn sich jemand dem Täter gegenüber plötzlich anders verhielt, konnte es diesem einen Hinweis auf seine bevorstehende Entlarvung geben. Doch das würde nicht geschehen!
    Es war bereits späte Sonntagnacht, als der Professor endlich alle Textzeilen fertig hatte und zu Bett ging. Schon kurze Zeit später, um vier Uhr früh, klingelte sein Wecker: Es mochte daran liegen, dass Bietigheim zu lange gearbeitet, dass er jedes Wort, welches er an den Mörder richten würde, genau abgewogen hatte, doch was immer es auch war, es führte dazu, dass er beim Frühstück nicht bemerkte, wie Benno von Saber die restlichen Haschisch-Kekse wegfutterte.
    Bis sich kein Krümel mehr in der eingedellten Keksdose befand.
    Endlich war es so weit. Bietigheim bog mit seinem Hollandrad auf den Dorfplatz von Epoigey, und die Sonntagssonne strahlte, als hätte sie gerade einen Eimer Multi Sanostol getrunken. Der Professor hatte sich extra in Schale geworfen. Diesmal kein Strohhut, stattdessen ein marineblauer Anzug, ein hellblaues Hemd mit Manschettenknöpfen sowie eine bordeauxrote Seidenkrawatte.
    Das wuselige Treiben stoppte, als die Studentenhorde ihn erblickte. Manche verbeugten sich, andere hoben die Hand zum Gruß. Der Käseigel war bereits zu drei Vierteln fertiggestellt und wirkte aus der Ferne wie eine monströse Discokugel, die in Nachosauce gefallen ist. Rena hatte mehrere Malergerüste organisieren müssen, damit die Studenten überhaupt Käsepikser am oberen Ende anbringen konnten. Das hatte sie wirklich gut gemacht!
    Die zweite freudige Überraschung des Tages.
    Die erste war Benno. Nie zuvor hatte der kleine Foxterrier sich so brav benommen. Der Lausbub spürte offenbar, dass sein Herrchen an diesem kriegsentscheidenden Tag keinen aufmüpfigen Gefährten brauchen konnte.
    Wie ein General inspizierte Bietigheim die Studenten und das Fortschreiten der Arbeiten. Plötzlich rauschte etwas durch die Studenten hindurch, ein Wellenbrecher von der Größe, Breite und Tiefe des Bürgermeisters.
    »Herr Professor, ich muss mit Ihnen sprechen! Bitte, es ist dringend. Nur einen Augenblick.«
    Hatte ihn Jules Bigot gerade mit Herr Professor angesprochen? Wuchsen in der Arktis jetzt Palmen?
    Doch Bietigheim wusste, wo die plötzliche Höflichkeit herrührte. Er nickte dem Würdenträger zu. »Aber wirklich nur ganz kurz. Der Käseigel, Sie verstehen.«
    »Ja, selbstverständlich. Und dieser Igel – eine wunderbare Idee! Ganz großartig, unser Dorf kann gute Publicity wirklich gebrauchen. Ich habe Sie falsch eingeschätzt, Herr Professor, jetzt erst weiß ich, aus welchem Holz Sie geschnitzt sind. Wo können wir ungestört reden?«
    Sie blickten sich um. Überall waren nun Menschentrauben, als sei die gesamte Côte d'Or nach Epoigey geströmt, um das riesenhafte Käsebauwerk zu bestaunen – und sich ein Stück davon einzuverleiben.
    Der Professor überlegte, wie ausgiebig er Jules Bigot quälen sollte. Immerhin hatte dieser ihn vom ersten Moment an schlecht behandelt. Deshalb zeigte Bietigheim nun auf die von Rena organisierten Klocontainer. »Da

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