Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor
es schon wissen. Aber du mußt dich beeilen!
Dann war die Stimme verschwunden. Travis starrte den schwarzen Kreis auf dem Boden vor ihm an, dann riß ihn ein schrecklicher Laut aus seiner Trance.
»Melia! Nein!«
Es war Beltan.
Aus den Augenwinkeln sah Travis, daß die Aura, die Melia umgeben hatte, noch einmal aufflackerte und dann erlosch. Sie sank zu Boden, und die Phantomschatten stürzten sich auf sie, um sie mit ihren fahlen Händen zu liebkosen. Melia kreischte auf, ein Schmerzensschrei, und ihr auf dem harten Stein liegender Körper bäumte sich auf.
»Laßt sie in Ruhe!« brüllte Beltan.
Sein Schwert durchschnitt die Luft in einem sirrenden Bogen. Die magischen Kreaturen wichen vor der Wut des Sterblichen zurück. Falken packte Melia und zerrte ihre reglose Gestalt neben Travis. Beltan zog sich mit hoch erhobenem Schwert hinter ihm zurück. Die Phantomschatten folgten ihnen und hinterließen ihre leuchtenden Pfade in der Luft.
So schrecklich das alles war, kam es Travis jedoch so vor, als würde es ihn nicht betreffen. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der zerbrochenen Rune zu. Binde sie. Er streckte die Hand aus und berührte ihre Oberfläche. Weißes Licht flackerte grell. Die Phantomschatten hatten den Kreis geschlossen. Travis sah auf und starrte in riesige, lidlose Augen.
Einen Moment lang blickten sie sich an, trafen sich zwei Welten von Antlitz zu Antlitz. Dann griff eine schlanke Hand nach Travis. Ihre Berührung brachte den Tod. Furcht trieb ihn zum Handeln. Er hieb mit dem Stilett zu, der Rubin flammte blutrot auf, und die Spitze versank mühelos in durchsichtigem Fleisch. Irgendwie wußte Travis, daß die Klinge vor langer Zeit in den Schmieden des alten Malachor für genau diesen Zweck geschmiedet worden war.
Wieder ertönte das lautlose Wehklagen. Der Fahle fiel zurück. Ein Lichtstrahl schoß aus der Wunde in seiner Hand, nur diesmal hatte das Licht eine blutrote Tönung. Travis hörte, wie seine Gefährten hinter ihm aufschrien. Die Phantomschatten waren überall, es war keine Zeit mehr da. Er ließ den Dolch fallen, drückte die Hand auf den dunklen Steinkreis und rief in Gedanken das Wort.
Orm!
In der Zeitspanne zwischen zwei Herzschlägen wurde alles schwarz. Das Licht der Phantomschatten erlosch, genau wie das der auf den Wänden und der Decke der Kammer verteilten Runen. Zeit und Geräusche wurden außer Kraft gesetzt. Dann erschienen zwei sich kreuzende Linien und leuchteten wie geschmolzenes Silber.
Die Dunkelheit zersplitterte.
Travis starrte auf den Boden. Der Grundstein war nicht länger dunkel. Er schien wie der Mond, seine Oberfläche fühlte sich kühl unter seiner Berührung an. Selbst die geringste Spur des Risses, der seine Oberfläche verschandelt hatte, war verschwunden.
Jede der in der Kammer eingravierten Runen loderte in einem neuen blau-silbrigen Licht auf. Sie fingen an umherzuwirbeln wie ein außer Kontrolle geratener Sternenhimmel. Die Phantomschatten rissen die dürren Arme hoch und schlugen die biegsamen Finger vor die riesigen Augen.
Die Runensterne drehten sich noch schneller und woben eine azurfarbene Helligkeit in die Luft, die wie ein feines Gespinst aussah. Die Phantomschatten wandten sich zur Flucht, wurden aber von dem zarten Netz eingefangen. Travis schloß geblendet die Augen und griff nach seinen Gefährten, den einzigen soliden Dingen in diesem Raum. Ein letzter Schrei ertönte: Ein Chor mundloser Stimmen verschmolz zu einem einzigen Akkord aus Furcht, Agonie und – wie es den Anschein hatte – Erlösung. Dann trat Stille ein – so plötzlich, daß sie ohrenbetäubend war.
Travis öffnete die Augen. Die Runen in der Decke hingen reglos da und badeten das Herz des Weißen Turms in einen sanften Schein. Von den Phantomschatten fehlte jede Spur.
»Sie sind weg«, murmelte er.
Falken kämpfte sich auf die Knie. »Ja«, sagte er. »Das sind sie.« Der Barde starrte den Grundstein an, der wieder unzerstört und glatt war. Dann richtete er den Blick auf Travis. »Das warst du, nicht wahr?«
Travis konnte nur knapp nicken.
Falken wollte etwas sagen, wurde aber von Beltans verzweifelten Worten unterbrochen.
»Ich kann sie nicht aufwecken, Falken! Sie atmet, aber nur noch flach.« Der Ritter war ebenfalls aufgestanden und schüttelte Melia an den Schultern; sein Griff war sanft und wild zugleich. »Wach auf, Melia. Bitte!«
Der Barde kroch auf sie zu. »Laß mich mal sehen, Beltan. Vielleicht kann ich …«
Ein Geräusch wie ein
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