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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Leben erhielt. Vielleicht konnte sie den Suchern ja sogar bei ihrem Studium der Eisenherzen helfen. Schließlich war sie Ärztin. Sie konnte Autopsien an jedem dahingeschiedenen Exemplar vornehmen, das ihnen in die Hände fiel, und ihre Anatomie erforschen in der Hoffnung, herauszufinden, was sie antrieb. Ein kleiner Funke der Aufregung flammte warm und angenehm in ihrer Brust auf. Vielleicht würde sie nach einiger Zeit selbst Mitglied bei den Suchern werden …
    Die Limousine fuhr eine verlassene Straße entlang und ließ die funkelnden Lichter der Stadt hinter sich. Graces Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Von einer plötzlichen Aufregung aufgemuntert trat sie das Gaspedal durch und schoß tiefer in die Nacht hinein.
    Die Zeit raste vorbei wie die schattenhafte Welt außerhalb der getönten Scheiben. Grace wußte nicht, wann die großen Umrisse das erste Mal um sie herum in die Höhe gewachsen waren. Jetzt erstreckten sie sich in alle Richtungen und zeichneten sich deutlich von dem sternenerfüllten Himmel ab. Die Scheinwerfer des Wagens schnitten einen Pfad in die Dunkelheit, während er die gewundene zweispurige Straße hinauffuhr. Sie hatte sich gar nicht bewußt entschieden, in die Berge zu fahren, doch es war nur vernünftig, die Interstate-Highways zu meiden. Davon abgesehen hatten die Berge – sobald sie sich ihrer bewußt geworden war – sie angelockt und taten es noch immer.
    Sie wußte nicht genau, wo sie sich eigentlich befand. Nicht, daß es eine Rolle gespielt hätte. Es war nicht wichtig, in welche Richtung sie fuhr, solange sie sich nur weit genug von dem Ort entfernte, an dem sie zuvor gewesen war. Die Nacht schloß sich hinter dem Wagen wie der Ozean im Kielwasser eines Schiffes.
    Um ein Haar hätte Grace es nicht rechtzeitig gesehen.
    Sie stieg auf die Bremse, und der Wagen kam rutschend gewaltsam zum Stehen. Der Sicherheitsgurt rastete ein und verhinderte, daß sie auf das Lenkrad schlug. Sie starrte durch die Windschutzscheibe. Grelles Licht funkelte auf einem spitzen Geweih und silberbraunem Fell. Ein Schatten huschte über die Straße und verschwand im Zwielicht der Nacht. Grace stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Das war knapp gewesen. Das letzte, was sie jetzt brauchen konnte, war, einen Hirsch zu überfahren.
    Sie trat das Gaspedal durch und fuhr weiter. Eine Minute später wurde es ihr plötzlich bewußt. Sie hatte das Geweih gesehen, aber etwas an dem Schatten war verkehrt gewesen. Dann fiel es ihr ein. Wie viele Hirsche gingen auf zwei Beinen daher?
    Sie schüttelte den Kopf. Ihre Augen spielten ihr einen Streich, das war alles. Daß Assistenzärzte mit Schlafentzug halluzinierten, war in der Notaufnahme allseits bekannt.
    »Du bist müde, Grace«, sagte sie. »Du bist viel zu müde. Du wirst dich noch umbringen.«
    Sie sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Fast drei Uhr morgens. Sie war schon weit von Denver entfernt. Es war sicher genug, um anzuhalten und ein paar Stunden zu schlafen. Zumindest glaubte sie das.
    Direkt voraus erblickte sie im Halbdunkel ein verlassenes Gebäude am Straßenrand. Direkt davor befand sich ein eingeebneter Platz. Der würde reichen. Sie verringerte die Geschwindigkeit, bog vom Highway ab und brachte den Wagen vor dem massiven Haus zum Stehen. Mit einem Gähnen schaltete sie den Motor aus und griff nach dem Schalter für die Scheinwerfer.
    Etwas ließ sie zögern. Sie blickte durch die Windschutzscheibe auf das verlassene Gebäude. Es war unmöglich, aber der Ort kam ihr bekannt vor. Sie fühlte ein Kribbeln auf der Brust, hob die Hand und berührte durch den Stoff der Bluse hindurch den Anhänger. Angetrieben von einer Macht, die sie nicht benennen konnte, öffnete sie die Wagentür und stieg aus.
    Der Wind fuhr mit kalten, körperlosen Fingern durch ihr Haar, und sie fröstelte. Stille beherrschte die Nacht. Vor ihr ragte das alte Haus – teilweise vom Licht der Scheinwerfer enthüllt – düster in den Himmel empor. Ein Dutzend leerer Fenster starrten wie zu Schlitzen verengte Augen ins Leere. Von allen Orten, zu denen sie in dieser Nacht hätte fahren können, von allen Straßen, die sie hätte wählen können, welche Fügung des Schicksals oder lange Zeit unterdrückte Erinnerung hatte sie nur hierher geführt? Sie kannte diesen Ort. Hier hatte alles angefangen. Hier hatte sie zum ersten Mal von der Existenz des Bösen erfahren.
    Das Beckett-Strange-Heim für Kinder.
    Grace näherte sich der Ruine. Es war nur schwer vorstellbar,

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